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Voices: Mikromobilität

„Zusammenarbeiten, damit es klappt“

24.06.2024

Mikromobilität hat großes Potenzial – aber nur, wenn Städte und Kommunen sie intelligent integrieren, meinen die führenden Köpfe der Branche.

„Pandemie als Beschleuniger“

Tina Liselius, Vice President Brand, Thule Group, Schweden
Tina Liselius, Vice President Brand, Thule Group, Schweden

„Im letzten Jahrzehnt haben wir alle ein schnelles Wachstum bei Mikromobilitätslösungen erlebt, was nicht nur dem Klima, sondern auch dem täglichen Leben von Familien auf der ganzen Welt zugutekommt. Als weltweiter Marktführer für fahrradbezogene Lösungen, mit denen Sie Ihre Kinder zur Schule bringen können, befindet sich Thule mitten in dieser rasanten Entwicklung. Das Fahrrad ersetzt wirklich Autos und Busse. Als die Coronapandemie zwischen 2020 und 2022 Städte auf der ganzen Welt heimsuchte, investierten viele Länder in ihre Infrastruktur, bauten sicherere Radwege und entwickelten Fahrradparklösungen, sodass in nur drei Jahren umgesetzt werden konnte, was sonst vielleicht ein Jahrzehnt gebraucht hätte.“

„Sechs-Städte-Test bestanden“

Andrew Savage, Vice President für Nachhaltigkeit, Lime Micromobility, Kalifornien
Andrew Savage, Vice President für Nachhaltigkeit, Lime Micromobility, Kalifornien

„Die Beispiele der sechs Städte, die wir untersucht haben, zeigen, dass geteilte E-Scooter und E-Bikes dazu beitragen können, Städte nachhaltiger und lebenswerter zu machen, indem sie Emissionen reduzieren und das Mobilitätsangebot erweitern. Die Ergebnisse unterstreichen die wichtige Arbeit, die wir weiterhin leisten müssen, um unsere Lieferkette, unseren Betrieb und unsere Einrichtungen zu dekarbonisieren, damit die geteilte Mikromobilität den CO2-Fußabdruck der städtischen Mobilität weiter reduziert.“

„Infrastruktur first“

Paolo Pavesio, Direktor Marketing und Motorsport, Yamaha Motor Europe
Paolo Pavesio, Direktor Marketing und Motorsport, Yamaha Motor Europe

„Individuelle Mobilität ist mehr als ‚nur‘ Mikromobilität, nämlich ein unverzichtbares Bedürfnis in Städten auf der ganzen Welt – und in letzter Zeit sind die Möglichkeiten, sie zu verwirklichen, erheblich gestiegen. Treibende Faktoren sind die Elektrifizierung und Sharing-Plattformen.

Wenn ich reise, bin ich oft  überrascht von den fantastischen Fahrradwegen, die wir in Amsterdam haben, während dagegen Fahrrad fahren in Mailand ziemlich beängstigend sein kann, ähnlich wie mit E-Scootern im  Pariser Verkehr unterwegs zu sein. Die Zukunft der urbanen Mobilität sollte von der Infrastruktur her gestaltet werden: klar getrennte Wege für Fahrzeuge mit geringer Geschwindigkeit (bis hin zu E-Bikes), standardisierte Batteriewechselstationen zur Überwindung der Reichweitenbeschränkung von E-Scootern, und für diejenigen, die von außerhalb kommen, eigene Parkplätze für Fahrzeuge. Dies erfordert natürlich eine langfristige Vision und die Fähigkeit, diese mit konkreten Maßnahmen umzusetzen - mit dem Ziel, eine städtische Mobilität zu erreichen, die hauptsächlich durch kleine Elektrofahrzeuge (einschließlich E-Bikes) geleistet wird. Und daneben sauberere, mit E-Kraftstoff betriebene Fahrzeuge für mittlere bis lange Strecken.“

„Fahrradverleihsysteme im Fokus“

Jürgen Gudd, Vorsitzender der Geschäftsführung, Deutsche Bahn Connect GmbH
Jürgen Gudd, Vorsitzender der Geschäftsführung, Deutsche Bahn Connect GmbH

„Fahrradverleihsysteme leisten einen positiven Beitrag zur Verkehrswende. Sie stehen angesichts des Klimawandels auch im Fokus für nachhaltige Mobilität. Für die Akzeptanz von solchen Verleihsystemen ist es wichtig, dass sie sich nahtlos an den ÖPNV anschließen. Förderlich sind vor allem stationsbasierte Verleihsysteme mit einer hohen Dichte an Stationen, die gleichzeitig auch positiv dazu beitragen, dass die Verkehrsflächen im öffentlichen Raum geordnet sind. Moderne, App-basierte Verleihsysteme verknüpfen die Aspekte individuelle Mobilität und Nachhaltigkeit mit einer Steigerung der Attraktivität von Städten und Kommunen. Erfolgreiche Verleihsysteme funktionieren jedoch nur in enger Zusammenarbeit von Städten, kommunalen und privatwirtschaftlichen Unternehmen und den Anbietern.“

„Städte werden lernen“

Morten Rynning (2. v.l.), CEO, CityQ, Norwegen–Deutschland–Großbritannien
Morten Rynning (2. v.l.), CEO, CityQ, Norwegen–Deutschland–Großbritannien

„Mikromobilität und Minimobilität werden die städtische Mobilität in diesem Jahrzehnt erneuern und verändern. E-Scooter waren die erste Generation – es ging nur alles zu schnell und es waren zu schnell zu viele Fahrzeuge auf der Straße. Künftig werden Städte lernen, Innovationen in der städtischen Mobilität, einschließlich neuer Fahrzeuge, sinnvoll zu nutzen und zu integrieren. CityQ glaubt an das Potenzial der Verkleinerung von Autos in Allrad-E-Bikes und Hightech-Pods.“

„Neue Nachfrage durch Unternehmen“

Chiem de Winter, Managing Director, Babboe B.V., Niederlande
Chiem de Winter, Managing Director, Babboe B.V., Niederlande

„Wir hören unseren Kunden immer aufmerksam zu. Neben jungen Familien, die mit unseren Rädern ihre Kinder zur Schule bringen, haben wir eine stark wachsende Nachfrage durch Unternehmen. Für die nächsten Jahre rechnen wir mit einem deutlichen Wachstum des Gütertransports. Untersuchungen haben außerdem ergeben, dass der Markt für Lastenfahrräder in den nächsten zehn Jahren an die zwei Millionen jährlicher Verkäufe erreichen wird. Mit Babboe verfügen wir über das Know-how, die Expertise und die Innovationskraft. Wir sind sehr stolz auf unsere neu entwickelte Linie, mit der wir eine nachhaltige, schnelle und kostengünstige Transportlösung für den Gütertransport anbieten.“

„Eine Erfolgsgeschichte – aber nicht überall“

Joshua Hon, Gründer und Team Captain, Tern Bicycles
Joshua Hon, Gründer und Team Captain, Tern Bicycles

„Seit unserer Gründung vor zwölf Jahren widmen wir uns der urbanen Mikromobilität – zunächst mit Klapprädern, dann mit Pedelecs bis hin zu ultrakompakten E-Lastenrädern. Unser stetiges Wachstum deutet in die Richtung, dass dies eine Erfolgsgeschichte ist. Aber schauen Sie nach draußen, schauen Sie auf die Straßen – das passiert nicht überall. Vorbilder wie Kopenhagen, Amsterdam oder Münster zeigen, dass neben einem breiten Angebot an nützlichen Fahrzeugen eine gut konzipierte Infrastruktur und ein Umdenken der Verkehrsplaner die wichtigsten Faktoren sind. Es bleibt noch viel zu tun, damit eine nachhaltige Form der Mobilität für noch viel mehr Menschen zur Selbstverständlichkeit wird.“

„In Zukunft selbstlernende Systeme“

Jochen Sommer, Leiter von MAHLE SmartBike Systems, MAHLE International, Stuttgart
Jochen Sommer, Leiter von MAHLE SmartBike Systems, MAHLE International, Stuttgart

„Wir bei MAHLE Smart Bike System haben uns ganz der Mikromobilität verschrieben. Gewicht, Ästhetik, Individualisierung, moderne Bedienoberflächen, Digitalisierung und Konnektivität: Das sind die Hauptthemen der urbanen Mobilität. Mit unseren superleichten E-Bike-Antrieben und intelligenten Vernetzungslösungen adressieren wir genau die Wünsche der User. Das Gewicht des Fahrrads und sein Design sind perfekt aufeinander abgestimmt. Die Systeme werden in Zukunft selbstständig lernen können und so beispielsweise die E-Motorleistung entsprechend der gewählten Route individuell anpassen. Ein spannendes Feld!“

„Mit dem Herzen kaufen“

Niels Willems, Founder and Commercial Director, Brekr, Niederlande
Niels Willems, Founder and Commercial Director, Brekr, Niederlande

„Die Behörden tragen dazu bei, den Übergang zur Mikromobilität zu beschleunigen, aber als Hersteller haben wir auch einen Schlüssel zum Erfolg in der Hand. Wie die Kleidung, die du trägst, glauben wir, dass auch das Fahrrad, das du fährst, Teil deines Lebensstils sind. Du kaufst es mit deinem Herzen. Hersteller müssen auf das richtige Design, die Qualität und die kleinen Details achten, damit sich Menschen von ganzem Herzen für ein leichtes Elektrofahrzeug entscheiden. Dann spielt auch der Verstand mit.“

„Die Grundpfeiler sind gelegt“

Marc Sommer (l.), Managing Director ZF Micro Mobility, Markus Gross (r.), Managing Director ZF Micro Mobility
Marc Sommer (l.), Managing Director ZF Micro Mobility, Markus Gross (r.), Managing Director ZF Micro Mobility

Marc Sommer: „Wir von der ZF Micro Mobility GmbH sehen großes Potenzial in der Nutzung von kleinen, elektrisch betriebenen Fahrzeugen für die Mobilität in Städten und Ballungsräumen. Diese Fahrzeuge sind eine perfekte Ergänzung zur innerstädtischen CO2-Reduzierung, und wir richten unser Produktportfolio darauf aus, diese Potenziale besser und effektiver nutzen zu können.“

Markus Gross: „Das Ausmaß der Potenziale und deren Nutzung variiert stark von Region zu Region. Bestehende Infrastruktur, Sharingangebote vor Ort sowie politische Aktivitäten sind nur einige der Faktoren, die maßgeblich dazu beitragen, wie diese Potenziale genutzt werden. Der Grundpfeiler für eine effektive Nutzung ist gelegt.“

„Industrie, Anbieter, Stadtplaner – nur gemeinsam geht es“

Dr. Claus Doll, Mobilitätsexperte, Fraunhofer Institut für System- und Integrationsforschung (ISI)
Dr. Claus Doll, Mobilitätsexperte, Fraunhofer Institut für System- und Integrationsforschung (ISI)

„Einerseits sollte die Industrie die Lebensdauer der Fahrzeuge weiter verlängern, die Dekarbonisierung der Produktion durch Beiträge zur Kreislaufwirtschaft fortsetzen und durch Partnerschaften eine Verlagerung von Taxi und eigenem Auto zu Ride-Hailing und emissionsärmeren Verkehrsmitteln bewirken. Auf der anderen Seite sollten Anbieter und Stadtplaner:innen gemeinsam auf eine bessere Verknüpfung von Mikromobilität und öffentlichem Verkehr hinarbeiten, indem sie beispielsweise Mobilitätsknotenpunkte und verlässliche intermodale Reiseplanungstools für nahtloses Umsteigen einrichten.“

„Von den Städten hängt es ab“

Fahad Khan, Co-Founder, Co-Managing Director, NÜWIEL
Fahad Khan, Co-Founder, Co-Managing Director, NÜWIEL

„Mikromobilität ist vielversprechend für die Verbesserung des städtischen Lebensstandards, ihr volles Potenzial hängt jedoch von der Entwicklung der städtischen Infrastruktur und den regulatorischen Rahmenbedingungen ab. Während bei der Modernisierung der Fahrradinfrastruktur einige Fortschritte erzielt wurden, stehen viele Städte immer noch vor der Herausforderung, mit den neueren Entwicklungen Schritt zu halten. Einheitliche Vorschriften behindern die Expansion von Mikromobilitätsunternehmen und ihre Lösungen. NÜWIEL arbeitet aktiv mit mehreren europäischen Kommunen zusammen, um diese Probleme anzugehen und zur Entwicklung neuer Standards beizutragen, die die einfachere und sicherere Integration von Mikromobilitätslösungen ermöglichen.“

„Leichte E-Fahrzeuge werden sicherer und komfortabler“

Teet Praks, CEO and Co-Founder of Comodule, Estland
Teet Praks, CEO and Co-Founder of Comodule, Estland

„Immer mehr Menschen nutzen die Mikromobilität, sie bietet einfach mehr Möglichkeiten und für jeden ist etwas Passendes dabei, sei es ein geteilter Roller, ein Fahrrad oder ein Abo-Fahrzeug. Sie können auch ein E-Bike kaufen oder einen Roller, der Ihnen gefällt. Die Vielfalt der verfügbaren Elektrofahrzeuge ist groß, und dank des Einsatzes von Technologien wie der Konnektivität von Comodule, GPS-Tracking oder der Steuerung und Daten über eine App werden leichte Elektrofahrzeuge sicherer und komfortabler, was sie für mehr Fahrer als echte Alternative zum Auto attraktiv macht. Je besser die Benutzererfahrung ist, die wir bieten können, desto mehr Menschen werden Mikromobilität in ihr Leben integrieren und unsere Städte sauberer und lebenswerter machen.“

„Warum wird E-Scooter gefahren?“

Wolfgang Fastenmeier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, Berlin
Wolfgang Fastenmeier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, Berlin

„Woran liegt es, dass viele Fahrer offenbar Umgang und Geschwindigkeit der E-Scooter unterschätzen? Für den richtigen Umgang mit einem E-Scooter braucht man schon eine minimale Form von Übung. Daneben geht es vielleicht auch um die Frage: Aus welchen Gründen fährt man mit einem E-Scooter? Man hat schon früh festgestellt, dass Scooter nicht unbedingt als sinnvolles Verkehrsmittel eingesetzt werden, sondern eher dem Spaß dienen: Die Leute fahren mit einem E-Scooter fast ausschließlich im Freizeit- oder touristischen Bereich. Die Annahme, dass E-Scooter ausschließlich für die Überbrückung kurzer Distanzen, die sogenannte letzte Meile, genutzt werden, war schon immer falsch.“