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Auto in einer virtuellen Umgebung

Fahrassistenz und autonomes Fahren

Bewegung am Weltmarkt für Sensoren

08.01.2025

Ohne Sensorik läuft bei den Autos heute gar nichts mehr. Denn durch sie sehen, fühlen und denken die Fahrzeuge. Für die Zukunft des Milliardenmarkts stellen sich die Weichen aktuell neu.

Im Automotive ist es eines der spannendsten Rennen zur Zeit und es läuft auf Hochtouren: Es geht um nicht weniger als die Führerschaft in der Sensortechnologie, von der alles abhängt – und die noch dazu zu wettbewerbsfähigen Preisen zu haben sein sollen. Hersteller von Fahrzeugkomponenten arbeiten fieberhaft daran, fortschrittlichere Assistenzsysteme zu entwickeln, um in Zukunft den globalen Markt auf allen Stufen der Fahrzeugautomatisierung zu dominieren. Schon heute stecken Sensoren praktisch überall in einem modernen Auto. Ob im Motor, im Fahrerinnenraum, an Stoßstangen, Außenspiegeln oder im Dach. Sie sorgen für mehr Sicherheit, Leistung und Komfort.

Eines ist klar: Je weiter die Automatisierungsstufen in den Autos steigen, desto mehr zuverlässige Sensortechnologie benötigt man in den Fahrzeugen von morgen. Die Hersteller müssen ihren Kunden umfassende Assistenzsysteme zur Verfügung stellen und dabei möglichst eine Hardware einsetzen, die am Markt nachhaltig gefragt sein wird. Die Frage der Fragen lautet also: Welche Technologie erlangt Goldstandard?

Noch ist LiDAR (Light Detection and Ranging) eine bestimmende Technologie, denn sie gilt als überlegen. Mithilfe von Laserimpulsen erzeugt LiDAR hochpräzise 3D-Karten der Umgebung eines Autos und verleiht ihm sozusagen die Fähigkeit, genau zu sehen, wo es sich befindet. Somit ist LiDAR unverzichtbar für die Navigation oder bei der Vermeidung von Kollisionen.

Die LiDAR-Technologie stammt noch aus der Zeit, als die USA den Weltraum eroberten. Im Jahr 1961 baute die Hughes Aircraft Company den LiDAR-Prototyp. Zehn Jahre später setzte die US-Weltraumbehörde NASA die neue Technologie ein, um den Mond zu kartieren. Dabei sandte man Laserimpulse aus, die reflektiert wurden, maß die Zeit zwischen dem ausgesendeten und dem reflektierten Lichtimpuls und bestimmte daraus die Entfernung des Objekts. Seither hielt LiDAR Einzug in vielen Anwendungen wie unbemannten Flugzeugen, in der Robotik und natürlich autonomen Autos.

Grafik Die fünf größten Hersteller von Automobilsensoren

Nischendasein?

„Momentan findet man viele Fahrerassistenzsysteme, die mit LiDAR umgesetzt werden – vor allem am chinesischen Markt. Sie sind nicht nur in der Oberklasse, sondern auch in Mittelklasse-Fahrzeugen zu finden, und der Trend setzt sich eindeutig fort“, sagt Tobias Hofmeier, Global Produkt Marketing Manager – LiDAR & In-Cabin Sensing bei AMS-Osram.

Einschränkend erklärt Hofmeier aber, dass vor allem in den Automatisierungsstufen L2 und L2+, also im Bereich des teilautomatisierten Fahrens, LiDAR-Systeme unter einen gewissen Kostendruck geraten. Darauf haben einige Hersteller wie Luminar und Innoviz bereits reagiert und Systeme auf den Markt gebracht, die deutlich günstiger und kleiner sind als vorhergehende Generationen. In der chinesischen Volksrepublik sind nun Automodelle auf den Markt gekommen, die gänzlich ohne LiDAR auskommen, darunter der AITO M7 Pro von Seres und Huawei, der DeepAL S7 Qiankun von Changan Automobile oder der Mona 03 von Xpeng. Sie setzen mittlerweile auf „Pure Vision“, die autonome Fahrfunktionen mithilfe von Kameras und Algorithmen bietet. 

Es scheint, als ob Elon Musk Recht behalten könnte, der LiDAR eine „Krücke“ schimpft und seit Langem auf kamerabasierte Wahrnehmungssysteme und neuronale Netze setzt, die die Bilddaten analysieren und interpretieren. LiDAR verteufelt er vor allem als zu teuer, weil es die Fahrzeugpreise in die Höhe treibe.

Denn LiDAR-Sensoren eignen sich zwar für höher automatisierte Fahrzeuge. Jedoch tauchen bei den laserbasierten Sensoren die Probleme optischer Systeme dann auf, wenn das Wetter schlecht ist, besonders helles Licht auftritt oder die Umgebung staubig ist. Dann erblindet der Sensor nämlich. 

Matthias Feulner, Senior Director ADAS bei NXP behauptet, dass radarbasierte Systeme hier die deutlich bessere Lösung sind. „Insbesondere die hohen Kosten, die selbst im Volumen heutzutage noch vorherrschen, haben LiDAR-Sensoren trotz ihrer Fähigkeiten in der weiteren Verbreitung beschränkt. Radarbasierte, hochauflösende Sensoren können diese Schwelle überbrücken und den Einsatz im Volumengeschäft vorantreiben. Bei vollautonomen Fahrzeugen werden aufgrund notwendiger Redundanz dennoch Kamera, Radar und LiDAR im Zusammenspiel genutzt. Gleichzeitig wird die Anzahl der Use-Cases, bei denen LiDAR unbedingt benötigt wird, durch die verbesserten Radarsensoren schrumpfen – bis LiDAR in der Zukunft letztlich nur noch eine Nische darstellt“, sagt Feulner. 

LiDAR als Ladenhüter? Das scheint eine vermessene Aussage. Aber auch chinesische Branchenblätter berichten, dass sich der Wind gedreht hat. So schreibt die Autozeitung „Zhonggao Qiche Bao“, dass zahlreiche Unternehmen in der Volksrepublik, wie Baidu, Huawei, Li Auto, Nio und Sense Time, auf von LiDAR völlig unabhängige Lösungen umsteuern.

Grafik ADAS/AD-Sensoren im modernen autonomen Fahrzeug

Wachstumschancen

Natürlich ist das Rennen noch lange nicht gelaufen. Erst vor wenigen Tagen vermeldete die auf LiDAR-Technologie spezialisierte Hesai Group, dass eine Revolution im LiDAR-Markt für Elektrofahrzeuge bevorstehe, weil sie im kommenden Jahr ihre Sensoren zum halben Preis anbieten will. 

„Wir bewegen uns in einer Phase, in der Millionen Autos jährlich mit LiDAR ausgestattet werden“, sagt der CEO David Li. Der angekündigte rapide Preissturz könnte tatsächlich enorme Auswirkungen haben. Denn die Frage, ob LiDAR die führende Technologie bleibt, hängt vorwiegend von den Kosten ab. Unternehmen muss es gelingen, diese deutlich zu senken. Zudem müssen sie Wege finden, um die LiDAR-Systeme effizient in Fahrzeugplattformen zu integrieren, ohne den Preis signifikant zu erhöhen. Und die Hersteller müssen auch alternative Märkte im Auge haben. Denn neben der Verwendung in autonomen Autos könnte LiDAR auch in Bereichen wie den Smart Citys, der Logistik und der Drohnentechnologie zunehmend eingesetzt werden.

LiDAR bleibt vorerst eine Schlüsseltechnologie, insbesondere für hoch autonome Fahrzeuge. Doch Kameras und Radar gewinnen an Boden, vornehmlich in Märkten mit hohem Preisdruck. Während LiDAR durch seine Präzision punktet, entscheiden letztlich Kosten, Skalierbarkeit und regulatorische Anforderungen darüber, welche Technologie die Zukunft dominiert. Hersteller müssen hierbei flexibel agieren und hybride Systeme entwickeln, um die jeweiligen Stärken der Technologien zu kombinieren und somit die Zukunft zu gewinnen.

Grafik Automotive-LiDAR-Hersteller 2023