Solarzellen auf dem Autodach, Strom vom Straßenrand: Solar Mobility macht Fahrzeuge unabhängiger vom Stromnetz und könnte die Elektromobilität entscheidend voranbringen.
In der Debatte um die Zukunft der Mobilität scheint die Antwort längst klar: Elektrisch muss sie sein, klimaneutral, leise, emissionsfrei. Doch eine Herausforderung bleibt bestehen: Die Ladeinfrastruktur hinkt hinterher – vor allem auf dem Land, in Schwellenländern und bei schwacher Netzabdeckung. Die Lösung könnte vom Himmel kommen: Solar Mobility. Gemeint ist damit nicht bloß das Laden von E-Autos mit Ökostrom, sondern vielmehr die Integration von Photovoltaik (PV) in Fahrzeuge. Ein Konzept, das nicht nur Energie liefert, sondern auch die Idee von Mobilität grundlegend verändert.
„Mithilfe integrierter Photovoltaik kann man Gebäude, Verkehrswege und Fahrzeuge umhüllen, um Sonnenenergie aufzufangen“, sagt Dr. Martin Heinrich vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Der Ansatz ist vielseitig – vom Auto über Nutzfahrzeuge und Busse bis hin zu Booten, Schiffen und sogar Drohnen. Der Clou: Die Energie wird dort erzeugt, wo sie gebraucht wird – dezentral, klimafreundlich und potenziell unabhängig vom Stromnetz.
Während klassische E-Autos auf externe Stromquellen angewiesen sind, laden sich solare Fahrzeuge selbst auf, zumindest teilweise. Die Technologie fußt dabei auf drei Säulen: vollintegrierte Solarfahrzeuge, sogenannte Hybridmodelle mit PV-Flächen auf der Karosserie und eine solarbasierte Ladeinfrastruktur. Gemeinsam verfolgen sie ein Ziel: mehr Autarkie, geringere Betriebskosten und ein dezentraleres System.
„Mithilfe integrierter Photovoltaik kann man Gebäude, Verkehrswege und Fahrzeuge umhüllen, um Sonnenenergie aufzufangen.”
Perowskit-Zellen - die neue PV-Generation
Der Lightyear 0 des gleichnamigen niederländischen Start-ups
Dabei sind die Hoffnungsträger der solaren Fahrzeugtechnik sogenannte Perowskit-Solarzellen. Sie gelten als die nächste Generation der Photovoltaik: leichter, flexibler und günstiger herzustellen als klassische Siliziumzellen – und dabei zunehmend effizient, erklärt Heinrich. Bei Labortests wurde bereits ein Wirkungsgrad von fast 27 Prozent erzielt, Tendenz steigend. Besonders spannend für die Mobilität: „Perowskit-Zellen lassen sich auf gebogenen Oberflächen aufbringen, etwa auf Autodächern oder Seitenwänden, und dies ermöglicht völlig neue Formen von Design und Integration. In Kombination mit Tandemzellen – bei denen Perowskit und Silizium übereinander geschichtet werden – könnten künftig noch höhere Erträge erzielt werden, selbst bei diffusem Licht“, so Heinrich. Auch organische Photovoltaik (OPV) und Dünnschicht-Technologien werden derzeit weiterentwickelt, vor allem für leichte, flexible Anwendungen im Fahrzeugbereich. Dadurch rückt eine Mobilität näher, die sich nahezu unsichtbar selbst mit Sonnenenergie versorgt – bei besserem Ertrag und deutlich geringerer Umweltbelastung bei der Herstellung.
Ein Beispiel für vollintegrierte Fahrzeuge ist der Lightyear 0 des gleichnamigen niederländischen Start-ups, das von 2016 bis 2023 E-Autos entwickelt hat. Mit rund fünf Quadratmetern Solarzellen schafft das Modell unter optimalen Bedingungen bis zu 70 Kilometer Reichweite am Tag – allein durch Sonnenlicht. In Ländern mit hoher Sonneneinstrahlung reicht das für den Alltag vieler Pendler aus. Ähnlich dachte das deutsche Start-up Sono Motors mit seinem Sion, dessen Außenhülle zugleich als Solarpanel diente. Auch wenn dieses Projekt wirtschaftlich scheiterte, bleibt die Idee lebendig.
Daneben bieten etablierte Hersteller wie Nissan, Hyundai oder Toyota Modelle mit konfigurierbarem Solardach an. Doch bislang bleibt das Angebot eine Nische: „Noch ist das eher ein Lifestyle-Thema und findet keine breite Käuferschicht“, sagt Heinrich.
Öffentlicher Verkehr auf einem neuen Level
Das Osnabrücker Sunglider-Konzept wurde bei den NY Product Designs Awards 2022 unter 500 Einsendungen aus aller Welt mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Das Bild zeigt eine Visualisierung der Solar-Schwebebahn auf dem Neumarkt
Ein zentrales Anwendungsfeld ist der öffentliche Nahverkehr. Gerade hier – wo Fahrzeuge regelmäßig verkehren und vorhersehbare Routen befahren – spielt Solar Mobility ihre Stärken aus. In Osnabrück etwa zeigt das Projekt „Sunglider“, wie eine smarte „Upperground Metro“ durch PV-Module entlang der Strecke gespeist werden kann. Das Prinzip: eine baumkronenartige Trasse in der +1 Ebene, an der unten die Fahrzeuge entlanggleiten und oben Solarzellen grünen Strom erzeugen. Durch induktives Laden an den Haltestellen benötigen die Fahrzeuge zudem keine zusätzlichen Oberleitungen. Heraus kommt ein effizienter, skalierbarer ÖPNV, der nicht nur CO₂-frei fährt, sondern auch stadtverträglicher und günstiger ist.
„Wir wollen den öffentlichen Nahverkehr auf ein neues Niveau heben und eine Bahn bauen, die über Straßen, die mit einem Solardach überbaut sind, in die Innenstädte führt“, sagt Winfried Heerbaart, der zum Kernteam für die Entwicklung des Sunglider-Projekts gehört. Damit das Projekt für die breite Öffentlichkeit greifbarer wird, soll im emsländischen Lathen auf dem Gelände der ehemaligen Transrapid-Teststrecke eine Teststrecke für den Sunglider gebaut werden. „Wir könnten noch in diesem Jahr mit der Umsetzung beginnen und das wäre ein starkes Signal. Denn wir knüpfen an deutsche Ingenieurskunst, die Infrastruktur und die Tradition des Fahrzeugbaus in unserer Region an“ sagt Prof. Dr. Dieter Otten, Aufsichtsratsvorsitzender der Sunglider AG.
Doch das Potenzial der Solar-Mobility-Technologie reicht weit über den öffentlichen Verkehr hinaus. Stefan Bachstein, Flat Laminates Manager beim Unternehmen Brianza Plastica, sieht ein großes Potenzial insbesondere in der Logistik: „Solar Mobility wird neben dem ÖPNV etwa auf der letzten Meile eine bedeutende Rolle spielen.“ Besonders im Bereich der Nutzfahrzeuge sei integrierte Photovoltaik heute schon wirtschaftlich sinnvoll: Laut Bachstein lassen sich Energieeinsparungen zwischen 22 und 29 Prozent erzielen – ein klares Argument für Speditionen, kommunale Flotten oder Paketdienste.
Ein weiterer Aspekt, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Kombination von Solar Mobility mit dem Konzept der „Vehicle-to-Grid“-Integration – also der Nutzung von Fahrzeugen als mobile Speicher für erneuerbare Energien wie Wind- und Sonnenstrom. Damit könnten Fahrzeuge künftig nicht nur fahren, sondern auch Strom ins Netz zurückspeisen – ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung dezentraler Energiesysteme.
Und der Preis? Solar Mobility ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Während herkömmliche E-Fahrzeuge derzeit zwischen sechs und zehn Cent pro Kilometer verbrauchen, liegen solare Lösungen zwischen zwei und fünf Cent. Die Betriebskosten sinken, der Energiebedarf aus dem Netz reduziert sich – ein echter Hebel in Zeiten steigender Strompreise.
Vorreiter der Bewegung finden sich weltweit
Solarauto des kalifornischen Unternehmens Aptera
In Australien testet das Start-up Evie Networks mobile Solarladestationen für abgelegene Regionen, während Universitäten an integrierten PV-Lösungen für Offroad-Fahrzeuge arbeiten. In Kalifornien experimentieren Unternehmen wie Aptera mit ultraleichten Solarautos, die auf Effizienz und Reichweite getrimmt sind, und Envision Solar (heute Beam Global) installiert solare Ladestationen, die unabhängig vom Stromnetz betrieben werden. Die Vereinigten Arabischen Emirate setzen mit ihrer Innovationsstadt Masdar City auf vollständig solarbetriebene Fahrzeugflotten für den innerstädtischen Verkehr.
Das schweizer Projekt SolarStratos setzt Photovoltaik in der Luftfahrt ein
Auch in Europa geht es voran: In den Niederlanden entwickelt Lightyear serienreife Solarfahrzeuge mit bis zu 800 Kilometern Reichweite, während in der Schweiz Projekte wie SolarStratos aufzeigen, wie Photovoltaik sogar in der Luftfahrt eingesetzt werden kann. Deutschland schließlich ist stark in der Forschung vertreten – etwa durch das Fraunhofer ISE in Freiburg oder Hochschulprojekte in Aachen, Stuttgart und München. Start-ups wie Sono Motors (trotz Insolvenz ein Ideengeber) oder Pilotprojekte wie Sunglider zeigen, dass auch hierzulande technologische Pionierarbeit geleistet wird.
Unternehmen wie Aptera, Lightyear oder Envision Solar setzen international Standards, auch wenn viele dieser Namen noch nicht auf breiter Straße angekommen sind. Sie alle vereint der Versuch, Mobilität nicht nur elektrisch, sondern auch solar, dezentral und nachhaltig zu denken bzw. umzusetzen.
Solar Mobility ist dabei kein Allheilmittel – aber ein entscheidender Meilenstein auf dem Weg zur klimafreundlichen Mobilität. Vor allem dort, wo konventionelle Ladeinfrastruktur an ihre Grenzen stößt, bietet sie echte Alternativen: dezentral, sauber, leise. In Zukunft könnte das Auto somit nicht mehr nur fahren – sondern sich selbst mit Energie versorgen. Und vielleicht sogar dabei helfen, das Stromnetz zu stabilisieren.