Caravaning ist ein Lebensgefühl. Auch nach dem Boom suchen immer mehr Menschen nach Freiheit, Natur und Abenteuer auf vier Rädern. Wie die Branche ihren Blick nach vorne richtet.
Caravaning ist längst kein Nischentrend mehr. Die Pandemie hat der Branche zwar zusätzlichen Schub verliehen, doch der Aufwärtstrend reicht weiter zurück und setzt sich fort. Denn Caravaning ist für viele mehr als nur eine Urlaubsform. Es ist ein Lebensgefühl. Freiheit, Flexibilität und Nähe zur Natur sind die wichtigsten Treiber hinter dem Boom der vergangenen Jahre. „Caravaning hat sich längst zu einem Massenphänomen entwickelt und begeistert Menschen aller Alters- und Gesellschaftsschichten. In den kommenden Jahren wird die Generation der Babyboomer an Bedeutung gewinnen, die kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand steht. Diese Zielgruppe ist traditionell sehr caravaningaffin und verfügt nach einem langen Berufsleben nicht nur über die finanziellen Mittel, sondern auch über eine ausgeprägte Reiselust. Darüber hinaus entdecken auch immer mehr Familien den Urlaub mit Reisemobil oder Caravan für sich“, sagt Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD).
Laut Prognosen von Research and Markets schätzt man das Umsatzwachstum des Camping- und Caravaning-Marktes von 64 Milliarden US-Dollar in 2025 auf 93 Milliarden US-Dollar bis 2030. Davon profitieren auch die Branchen-Zulieferer, denn sie statten jedes Campingmobil zur Hälfte mit ihren Technologien, Möbeln und Geräten aus.
“Caravaning hat sich längst zu einem Massenphänomen entwickelt und begeistert Menschen aller Alters- und Gesellschaftsschichten.”
Globale Trends
Während in den 2000er-Jahren große Luxusliner mit Wohnzimmerkomfort im Vordergrund standen, sind heute kompaktere Vans gefragt. In Europa prägt der VW California das Bild, in den USA spricht man von den stark wachsenden „Class B“-Vans. Sie sind flexibler, leichter zu parken und verbrauchen weniger Kraftstoff.
Das Thema „Nachhaltigkeit“ bestimmt die Trends der Branche: Deutsche Hersteller wie Hymer präsentierten erste Elektro-Camper-Prototypen; in den USA experimentiert Winnebago mit alternativen Antrieben; Japan geht beim Leichtbau voran; Australien setzt auf Solartechnik und autarke Energiesysteme. Doch all diese Innovationen kämpfen mit denselben Fragen: Wie leistungsfähig sind Batterien für Fahrzeuge, die mitunter mehrere Tonnen wiegen? Und wo sollen die Reisenden ihre Elektro-Mobile laden, wenn es selbst für Pkw noch an Ladeinfrastruktur fehlt?
Die Digitalisierung ist ein weiterer Treiber. Weltweit sprießen Apps, die die Stellplatzsuche, die Buchung und sogar Sharing-Modelle vereinfachen. Damit verändert sich das Caravaning-Erlebnis: nicht mehr nur als Besitzmodell, sondern zunehmend als flexible, digital gesteuerte Mobilitätslösung. Allein die Reisemobilstellplätze in Deutschland legten in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent zu. Dennoch klagen viele Reisende über Engpässe: „Der Ausbau der Infrastruktur ist ein zentraler Baustein für die Zukunftsfähigkeit der Branche“, stellt Onggowinarso vom CIVD fest.
“Verbraucher suchen nachhaltige, vernetzte, barrierefreie und designorientierte Produkte.”
Branchen-Wachstum
Aktuelle Marktforschungen gehen davon aus, dass sich der globale Markt für Camping und Caravaning bis 2033 auf über 100 Milliarden US-Dollar verdoppeln wird, sofern die Branche weiter jedes Jahr im Schnitt um sieben Prozent wächst. „Die Nachfrage nach Lösungen für das Leben im Freien bleibt stark und ist getrieben durch steigende Freizeitbudgets, Urbanisierung und den Wunsch nach flexiblen, autarken Erlebnissen. Verbraucher suchen nachhaltige, vernetzte, barrierefreie und designorientierte Produkte“, sagt Juan Vargues, Präsident und CEO des schwedischen Ausrüsters Dometic.
Auch der Zulieferer Truma Gerätetechnik meint, dass die Branche sich noch lange Aufwärts bewegen wird. „Campingurlaub funktioniert für viele Menschen, für Sportler zum Beispiel als spontaner Wochenendausflug in die Berge und für Familien als verbindendes Erlebnis mit Abenteuer für die Kinder. Die Kombination aus Flexibilität, Naturnähe und niedrigen Kosten macht Caravaning auch in Zukunft attraktiv“, so Alexander Wottrich, CEO der Truma-Group.
“Die Kombination aus Flexibilität, Naturnähe und niedrigen Kosten macht Caravaning auch in Zukunft attraktiv.”
Die Fahrzeugproduktion steigt
Das Wachstum spiegelt sich in steigenden Verkaufszahlen und zunehmender Beliebtheit auf globaler Ebene wider. Die Begeisterung für mobile Freiheit und Outdoor-Erlebnisse lässt sich in allen wichtigen Märkten beobachten. In den USA meldete die Recreation Vehicle Industry Association 2021 über 600.000 Neuzulassungen, so viele wie nie zuvor in der Geschichte. Dies war der Corona-Pandemie geschuldet, die für eine enorme Nachfrage sorgte. Aber selbst 2022 lag der Absatz mit rund 593.000 Fahrzeugen deutlich über dem langjährigen Schnitt.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Australien: Auch dort erreichte die Nachfrage während der Pandemie historische Spitzenwerte. In Japan und Südkorea wuchs vor allem das Segment kleiner Vans. Und in Europa prägten deutsche Hersteller wie Hymer, Knaus Tabbert, Westfalia oder Bürstner die Boomjahre, während Marken aus Frankreich, Italien und Skandinavien aufholten.
Interessant ist noch ein Blick ins Segment der Premium-Caravaning Modelle, wie etwa von Volkner. Unbeeindruckt von Marktschwankungen oder außerordentlichen Ereignissen bleibt die Auftragslage des Wuppertaler Unternehmens stabil. „Wir stellen für unsere Kunden hochindividuelle Fahrzeuge her, die alle Wünsche erfüllen. Und dabei sind wir von den Brancheneinflüssen vollkommen unberührt“, so Geschäftsführerin Stephanie Volkner.
“... wir (sind) von den Brancheneinflüssen vollkommen unberührt.”
Auch die Zulieferer wachsen
Einen immensen Einfluss hat die Branchenentwicklung auch auf den Zuliefererbereich. Vor allem, wenn man sich bewusst macht, dass ein Camper im Durchschnitt zu fast der Hälfte aus Geräten und Technik von Zulieferern besteht, von Heiz- und Klimasystemen über Kühlschränke bis zu Energie- und Komfortlösungen. Kaum ein Name zeigt die Internationalisierung der Caravaning-Branche so deutlich wie die Dometic Group. Der Konzern beliefert die Branche mit Kühlsystemen, Energiemanagement und Komfortlösungen und das weltweit. Während der Pandemie konnte Dometic Umsatz und Gewinn massiv steigern, getragen von der Sondersituation. Doch die Unternehmensstrategie zielt weiter. Denn Dometic verfolgt einen konsequent nachhaltigen Ansatz: „Von den ersten Designphasen an achten wir auf Energieeffizienz, verantwortungsvolle Materialwahl und Recyclingfähigkeit. Leichte, platzsparende Designs reduzieren nicht nur die Umweltbelastung, sondern spiegeln auch unser Engagement für Innovation und Leistung wider“, sagt Vargues.
Werkstätten und Service: Der verdeckte Engpass
So groß der Einfluss der Fahrzeugproduktion auf die Zulieferer ist, so bedeutend ist gleichzeitig auch die Rolle der Zulieferer selbst bei der Weiterentwicklung des Caravanings. Truma setzt etwa auf klimafreundliche Kältemittel, elektrische Heizfunktionen und Geräte mit höherem Wirkungsgrad. „Wir berücksichtigen mit unserem Portfolio und mit Neuentwicklungen alle Fahrzeugklassen. So haben wir kompakte Geräte auf dem Markt, zum Beispiel die rein elektrische Heizung ‚Eezy‘, die besonders für Kastenwägen geeignete ‚VarioHeat‘ oder unsere Staukasten-Klimaanlage ‚Saphir‘, entwickelt für kleine und mittelgroße Fahrzeuge“, so Wottrich.
Oft übersehen, aber für die Akzeptanz des Caravanings zentral, ist zudem die Service-Infrastruktur. Schon während der Boomjahre klagten viele Besitzer über monatelange Wartezeiten auf Reparaturen oder Nachrüstungen. Werkstätten waren überlastet, Ersatzteile knapp. Genau diese Schwachstelle rückt inzwischen stärker in den Fokus. Künftig wird es daher nicht nur entscheidend sein, wie viele Fahrzeuge verkauft werden, sondern auch, wie gut sie über ihre gesamte Lebensdauer gewartet und nachgerüstet werden können. Die Automechanika Frankfurt präsentierte zuletzt Lösungen für bessere Wartung, digitale Ersatzteil-Logistik und Ansätze für Elektro-Camper.