Im neuen „European Hyperloop Center“ im niederländischen Veendam ist der Hyperloop Realität geworden. Alle Elemente, um einen Hyperloop in Betrieb zu nehmen, stehen hier in einer Testversion bereit. Hyperloop-Entwickler aus aller Welt treffen sich hier, um den Hyperloop weiterzuentwickeln und Forschungs- und Industriepartnerschaften zu pflegen.
Schön sind offene Grenzen in Europa, und seit 40 Jahren weitgehend selbstverständlich. Trotzdem freut man sich jedes Mal, sich mit dem Auto an verwaisten Zollhäuschen vorbeizuschlängeln ohne aufgehalten zu werden, und wieder Fahrt aufzunehmen in einem Gefühl von Freiheit.
Auf unserem kleinen GATEWAY-Hyperloop-Europa-Trip ist es der Grenzübergang Bunde/Nieuweschans, den wir passieren, auf der nur 75 Kilometer langen Fahrt vom niedersächsischen Emden ins niederländische, nahe der Universitätsstadt Groningen gelegene Veendam. Das European Hyperloop Center (EHC) liegt etwa auf halber Strecke zwischen Groningen und Papenburg in Deutschland. Das EHC liegt in der Ems-Dollart-Region, einem Zweckverband in der deutsch-niederländischen Grenzregion, der dem Hyperloop-Center ein ideales, internationales Umfeld bietet.
Die Professoren Walter Neu und Thomas Schüning vom Hyperloop-Projekt an der Hochschule Emden/Leer begleiten den GATEWAY-Reporter Michael Hopp auf der zweiten Station seiner Reise an europäische Hyperloop-Standorte. Den ersten GATEWAY-Bericht aus Emden können Sie hier nachlesen.
Das EHC steht allen Hyperloop-Initiativen zum Testen offen
Kees Mark, Geschäftsführer des European Hyperloop Center in Veendam
Die Emder Professoren freuen sich, Kees Mark wieder zu treffen, den neu berufenen „algemeen directeur“ des European Hyperloop. Die Testanlage und das Knowledge Center des EHC in Veendam und Groningen arbeiten nach dem „open innovation“-Prinzip und laden Hyperloop-Entwickler aus der ganzen Welt ein, an der bereits nahe an der Realität entwickelten Teströhre neue Technologien zu testen oder mit Industriepartnern zusammenzuarbeiten.
Als wir auf dem Logistikgelände in Veendam eintreffen, empfängt uns ein kurzer, heftiger Platzregen. Wir verbringen die Wartezeit, bis Mark – „Hi, I’m Kees“ – eintrifft, im Auto. Das Gelände ist sehr groß und liegt unmittelbar an Bahngleisen. So viel Platz ist auch nötig, damit sich die mächtige Hyperloop-Röhe ausbreiten kann, in ihrer Länge von 420 Metern, zusammengesetzt aus 34 Röhrenabschnitten, mit einem Durchmesser von 2,5 Metern und einer Verzweigung gegen Ende, der Funktion nach eine Weiche. Respekteinflößend liegt sie da, wie eine Schlange, die ein Schläfchen hält, solange keine Gefahr in Verzug ist.
„Ich sehe hier sehr viel Stahl“, sagt der GATEWAY-Reporter, als der Regen aufgehört hat und unsere kleine Gruppe am vorderen Ende der Röhre steht, wo die Bedienungs- und Sicherheitslogistik und ein Baubüro untergebracht sind. „Ja, ich komme auch aus der Stahlindustrie“, lacht Kees, „Gasrohre, auch eine Art von Transport.“
„Die europäischen Regierungen öffnen sich für den Hyperloop und nehmen ihn als Option in ihre Mobilitätsprogramme auf. Wir können in Europa große Fortschritte machen!“
Im EHC sind die elementaren Hyperloop-Technologien betriebsbereit
Kees ist ein zupackender, auf formelle Hierarchien wenig Wert legender Typ. Ist er jetzt der Chef über den Europäischen Hyperloop? „Meine Hauptaufgabe ist es nicht, die 27 europäischen Hyperloop-Projekte zu koordinieren“, sagt er auf dem dezentralen Ansatz der Hyperloop-Forschung bestehend. „Ich sehe Veendam als wirklich wichtigen Teil der Hyperloop-Entwicklung in Europa. Wir liegen hier nah an anderen Transportwegen und ganz praktisch gesehen, haben wir hier den Platz uns auszubreiten – ideal also für ein Trainingszentrum, um wichtige Hyperloop-Innovationen zu erzielen. Für die Region ist es auch ein großer Gewinn, ein Innovationszentrum vor Ort zu haben, das auch Schulen und Universitäten einbindet.“
In der Testanlage des European Hyperloop werden Systeme und Technologien wie Magnetschwebetechnik, Antrieb, Stabilisierung und sogar Spurwechsel bei Geschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern demonstriert und getestet – so gut wie alles, was man für einen Hyperloop braucht, ist hier bis zur Betriebsreife entwickelt. Mit der Entwicklung der Weiche leistet Veendam einen wesentlichen Beitrag zur Hyperloop-Entwicklung, und man ist hier mit der Vakuum-Technik besonders weit vorne.
„Wir können in der Röhre einen Luftdruck von einem Millibar erreichen – und die Reduzierung des Luftwiderstands wirkt unmittelbar auf den Energieverbrauch ein“, ergänzt Kees. „Das ist für mich wesentlich, denn das Hauptziel der Hyperloop-Entwicklung ist die Nachhaltigkeit, eine energiesparende Mobilitätslösung.“ Die Vakuum-Forschung, die hier geschieht, ergänzt Kees, sei auch interessant für Technologien, die nicht mit dem Verkehrswesen zusammenhängen, die Hyperloop-Forschung generiere auch einen Mehrwert für andere Bereiche.
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Besuch in Veendam im neuen European Hyperloop Center: Geschäftsführer Kees Mark möchte die Anlage zu einem internationalen Hyperloop-Testzentrum ausbauen
Industrie- und Forschungspartner kamen zur ersten öffentlichen Testfahrt
Die Passagierkapsel des Hyperloop an der Technischen Universität München
Industriepartner für die Vakuumröhren sind Hardt Hyperloop, POSCO und TATA (zwei große Stahlkonzerne) sowie die lokalen Unternehmen Mercon, Denys und Avitec. Mithilfe von VR-Simulationen entwickeln sie Prototypen der ‚Pods‘, die Passagierkapseln, und holen Feedback von Testpersonen ein. Bei der Entwicklung dieser Prototypen helfen Hive und Bytesnet in Groningen. Für das Projekt wurde das Hyperloop Development Program (HDP) gegründet, eine öffentlich-private Partnerschaft. Daran beteiligt sind Hyperloop-Unternehmen aus den Niederlanden, der Schweiz, Polen und Spanien. Die zentrale Rolle in der Forschung spielen die im Netzwerk eingebundenen Universitäten wie in München, Emden/Leer, Groningen, Delft oder die EPFL in der Schweiz.
Besucher werfen einen Blick in die Röhre des Testgeländes
Viele der Partner kamen zu Eröffnung des „European Hyperloop“ im September 2024. Vor internationalen Gästen fand die erste öffentliche Testfahrt mit Magnetschwebetechnik in der neuen Röhre statt. In der auf eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ausgerichteten Röhre erreichten die ‚Pods‘ 30 km/h, getragen nicht von Rädern, sondern auf Magnetfeldern. „Wir sind von diesem ersten Ergebnis begeistert“, sagte Marinus von der Meijs, Technology and Engineering Director bei Hardt Hyperloop nach der Veranstaltung. „Als nächstes stehen Vollgeschwindigkeitstests mit knapp 100 km/h mit Spurwechsel auf dem Plan.“ Hardt strebt den ersten Passagierbetrieb im Jahr 2030 an.
Kleine Exkursion ins Innere der Röhre
Und dürfen wir in die Hyperloop-Röhre auch hinein? Ein halbes Jahr nach der Präsentation stehen die beiden Professoren aus Emden, eine Videoreporterin und der GATEWAY-Berichterstatter mit Helm und leuchtend gelben Sicherheitsjacken am Kontrollcontainer am vorderen Ende der Röhre, die für die Tests vakuum-dicht abschließbar sein muss. Mark löst mit einem Tastendruck den Öffnungsmechanismus aus. Gemächlich und damit auch irgendwie feierlich öffnet sich der schwere, runde Stahlverschluss hydraulisch und gibt Zentimeter für Zentimeter den Blick ins Innere der Röhre frei, in der es noch ganz finster ist. Wollten wir wirklich da rein?
Im Gänsemarsch tapern wir hinein, die Ingenieure vornweg sportlich und gewandt, Berichterstatter und Videoreporterin darauf bedacht, nicht zu stolpern. Wer will schon im Hyperloop über die nicht vorhandenen Gleise stürzen? Nach den Sicherheitsbestimmungen gilt die Röhre als „gefährlicher geschlossener Raum“ und das ist sie wohl auch, alleine wegen des absoluten Sauerstoffmangels aufgrund des im Fahrbetrieb hier herrschenden Luftvakuums. Während die offene Tür in unserem Rücken schnell kleiner wird, bewegt sich unsere Gruppe nach vorne, in Richtung der Weiche.
Die Technik teilen sich alle ‚Pods‘ miteinander
Inzwischen leuchten Lichtbahnen in wechselnden Signalfarben an den konkaven Wänden der Röhre, die mit weiterer Technik bestückt sind: Ein Stromträger, eine Datenschiene, die wie ein endloser Barcode die Position und weitere Daten des ‚Pods‘ abnimmt, eine Bremsspur, weitere Kommunikations- und Steuerelemente, denn der ‚Pod‘ selbst soll so frei wie möglich von Technik bleiben und damit so leicht wie möglich. Es ist auch sparsam: Die Technik teilen sich alle ‚Pods‘ miteinander.
Die Lichtbahnen, die das auf einen Punkt zulaufende Wesen der Röhre betonen, erzeugen eine psychedelische Stimmung. Sie lassen einen selbst fast schweben und dämpfen die ängstliche Grundstimmung, am Ende an einem für Menschen doch recht gefährlichen Ort zu sein – jedenfalls wenn es demnächst mal so weit ist, dass in diesen Röhren Menschen in Kapseln wie eine Flaschenpost mit hohen Geschwindigkeiten von A nach B befördert werden.
Die enorme technische Herausforderung des Spurwechsels
An der Abzweigung für den „Spurwechsel“, der hier entwickelten Weiche des Hyperloop angekommen, erfahren wir, dass die Weiche des Hyperloop zu den technisch anspruchsvollsten Elementen gehört.
Während des Spurwechsels muss ein Gleichgewicht aller auf das Fahrzeug wirkenden Kräfte hergestellt werden. Die genaue Stärke der Magnete auf der linken und rechten Seite der Kapsel muss bestimmt werden, um diese während des Spurwechselvorgangs in der richtigen Position zu halten. Die Fliehkräfte, die abhängig von der Geschwindigkeit beim Wechseln der Spur auf die Gondel wirken, müssen sorgfältig überwacht werden.
Bei diesem Manöver erzeugen die Komponenten der Gondel und des Schienensystems enorme Hitze. Daher müssen alle Komponenten hohen Temperaturen standhalten und die verwendeten Sensoren durchgehend stabil bleiben. Entscheidende Entwicklungsbeiträge kamen hier von der technischen Universität Delft.
Mark Kees kann mit dem, was er hier übernimmt, zufrieden sein. „Ich sehe großen Enthusiasmus hier“, erzählt er, nachdem wir die Röhre zurück gegangen sind. Die Sonne ist in der Zwischenzeit hervorgekommen und unsere Augen blinzeln im Grellen nach der Kunstlicht-Atmosphäre im Inneren der Röhre. „Der Hyperloop bringt so viele gute Leute zusammen, das ist fantastisch.“
Und, Kees, was ist Dein Tipp, wo wird es den ersten Hyperloop geben? „Ich will mich da auf kein einzelnes Land festlegen. Fakt ist, dass sich europäische Regierungen für den Hyperloop öffnen und sie ihn als Option in ihre Mobilitätsprogramme aufnehmen. Wir können in Europa große Fortschritte machen!“