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Interview mit Marc Oliver Prinzing, BBM

„Der E-Dienstwagen ist im Betrieb günstiger“

26.11.2025

Nicht nur im Betrieb, auch in vielem anderen erhöht ein elektrifizierter Fuhrpark die Effizienz und Attraktivität eines Unternehmens, meint Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands für Betriebliche Mobilität (BBM) Marc Oliver Prinzing, der gerade in letzter Zeit mit seinen Mitgliedern zufrieden sein kann.

Lesedauer: 6 Minuten

Welche Bedeutung haben heute Dienstwagen in der Unternehmenskultur?

Sie sind sehr wichtig für die Mitarbeitenden und die Unternehmen. In vielen Fällen sind sie ein Instrument für die Leistungserbringung, und häufig werden sie mit der Privatnutzung auch Gehaltsbestandteil, dann sind sie sogenannte „Motivationsfahrzeuge“. Für Mitarbeitende hat ein Dienstwagen, der privat genutzt werden darf, einen hohen Wert und macht monetär absolut Sinn. Dienstfahrzeuge sind ein Teil der Ausgestaltung von Benefits und Compensations, könnte man sagen. Aber es gibt da auch Veränderungen.


Welche?

In der Vergangenheit wurde nach immer größeren Dienstwagen mit entsprechender Ausstattung gefragt. Heute wird das Thema differenzierter angegangen. Viele Unternehmen sprechen heute über Mobilitätsbudgets. Der Dienstwagen ist ein Teil davon, aber es gibt auch andere Instrumente. Das kann ein kleineres Fahrzeug sein, oder auch ein Deutschlandticket. Die jüngere Generation geht sehr bedarfsgerecht an das Thema ran.

Frau fährt mit einem E-Bike durch eine moderne Wohnanlage
Das boomende Dienstradleasing zeigt, wie stark steuerliche Vorteile und attraktive Leasingmodelle Nachfrage erzeugen. Ein Prinzip, das inzwischen auch bei Autos erfolgreich greift. Foto: blackCAT

Es gibt in der Zwischenzeit auch Dienstfahrräder.

Fahrräder und E-Bikes sind ein Riesenthema im Moment. Es ist ein etwas anderes Modell. Unternehmen ermöglichen ihren Mitarbeitenden ein Leasingfahrrad, das über Bruttogehaltsverzicht oder als Add-On zum Gehalt verrechnet wird. Und die steuerlichen Vergünstigungen sind höher. Dazu kam die explosive Entwicklung bei den E-Bikes, die immer teurer wurden, wodurch sich die Leasingmodelle immer besser rechnen. 2024 lag der Umsatz des Dienstradleasing-Markts bei 3,1 Milliarden Euro und in Deutschland bieten über 200.000 Arbeitgeber das Modell an. Bei Autos ist dieses Modell auch vorhanden und wird bereits von mehreren Leasing-Unternehmen und Autohandelsgruppen erfolgreich angeboten.

Wie lässt sich der Dienstwagen-Markt beziffern?

Der deutsche Markt wächst immer noch, zum Unterschied von anderen europäischen Ländern. 2024 waren rund 68 Prozent aller Pkw-Zulassungen gewerblich. Wir unterscheiden zwischen den gewerblichen Zulassungen und den Flottenzulassungen. Große Flotten, wie die der Telekom, können 20.000 Fahrzeuge und mehr umfassen. Der Anteil des Flottenbereichs an den gewerblichen Neuzulassungen liegt bei etwa einem Drittel und ist während der letzten 25 Jahre um 40 Prozent gewachsen.


Warum geht es dem deutschen Markt so gut?

Weltweit sind wir schon ein wenig ein Unikum. Die steuerlichen Vergünstigungen sind höher – und das ist nicht vom Himmel gefallen. Ich denke, es ist der Bedeutung der deutschen Autoindustrie geschuldet, der man was Gutes tun wollte.


Welche Bedeutung haben die Dienstwagen für die Automobilindustrie?

Die Bedeutung ist erheblich. Wir haben rückläufige Zulassungszahlen im Privatmarkt, die gewerblichen steigen. Fuhrparks beschaffen planbar, in Stückzahlen und modellaktuell. Das sichert Auslastung in Produktion, Handel, Finanzierung, Service und im Teilemarkt. Gleichzeitig treiben Flotten den Modellwechsel an, weil sie Fahrzeuge schneller ersetzen als Privatkunden. Die Unternehmen werden schon stark umworben – übrigens entscheidet hier weniger der Flottenmanager. Im Rahmen der Dienstwagenordnung fällt häufig der Dienstwagennutzende die Entscheidung, ob es ein Mercedes, ein BMW, ein Audi oder ein anderes Modell sein soll.

Kfz-Mechaniker überprüft ein Elektrofahrzeug mithilfe eines Tablets in einer modernen Werkstatt.
Dienstwagen sichern den Werkstätten verlässliche Auslastung, weil Flotten ihre Fahrzeuge regelmäßig warten und im Markenservice instand halten lassen. Foto: Scharfsinn68

Das kommt auch den Werkstätten zugute …

Die Fahrzeuge werden in ordentlichem Ausmaß gewartet und repariert. Die Finanzierungsgeschäfte sind meist mit Service-Raten ausgestattet. Das heißt, die Fahrzeuge werden im Markenhandel gewartet. Der Servicebereich ist damit ausgelastet. Eigentlich ist der gewerbliche Kunde der entscheidende Kunde.

„Der Dienstwagen-Markt bringt eine Menge Autos auf die Straße.“

Marc Oliver Prinzing

Dienstwagen haben auch am Gebrauchtwagenmarkt eine hohe Bedeutung.

Hier gibt es ein Kuriosum. Wir haben zwei Drittel gewerbliche Zulassungen. Aber im gesamten Bestand sind es nur 12 Prozent. Wie kommt das? Die gewerblichen Zulassungen kommen wesentlich schneller in den Gebrauchtwagenmarkt als die privaten – nach drei bis dreieinhalb Jahren, das hängt auch mit der Laufleistung und der Restwertentwicklung zusammen. Private Autos werden dagegen acht bis neun Jahre gehalten. Ja, der Dienstwagen-Markt bringt eine Menge Autos auf die Straße.


Wann hat es in Ihrer Branche mit der Elektrifizierung begonnen und wie ist sie aufgenommen worden?

Es ging 2018 los mit bestimmten Vorgaben im kommunalen Bereich bei der Beschaffung von Fahrzeugen. Am Anfang war die Stimmung eher verhalten. Aber nicht, weil die Unternehmen nicht wollten. Es lag an den Lieferproblemen. Und dass wir anfangs relativ wenige flottentaugliche Modelle hatten. Da gab es keine richtigen Alternativen. Heute sieht das schon ganz anders aus. Im Kombibereich haben wir heute den VW ID.7, quasi als Ersatz für den Passat, eines der fünf am meisten verbreiteten Fahrzeuge im gewerblichen Bereich. Daneben gibt es inzwischen den Opel Astra Electric Sports Tourer, den Škoda Superb Combi EV, den BMW i5 Touring oder den Audi A6 Avant e-tron. Das Angebot wächst stetig.


Mit der Elektrifizierung stehen ja nicht nur einfach andere Autos da.

Es ist viel mehr. Bisher hatten wir einen Austausch von Marken oder Modellen. Jetzt ist es ein neues Biotop, man kann nicht einfach Autos tauschen. Die gesamte Infrastruktur muss vorher klar sein. Das beginnt bei der Qualifizierung. Das Fuhrparkmanagement muss sich plötzlich mit Fragen rumschlagen, die vorher nie zu hören waren: Wie gestalte ich für die Mitarbeitenden das Laden zu Hause? Ich habe plötzlich eine neue Dienstleiste mit Ladekarten und Lademöglichkeiten, das ist relativ komplex. Sie müssen mit dem Facilitymanagement reden, mit Bereichen, mit denen sie vorher nie zu tun hatten.

Podiumsdiskussion über Elektromobilität mit Fachleuten aus der Automobilbranche.
Marc Oliver Prinzing auf der Nationalen Konferenz für betriebliche Mobilität 2024

Auch Reichweiten müssen „gemanaged“ werden …

Wir haben Fahrzeuge mit völlig neuen Eigenschaften. Wie schnell lädt so ein Fahrzeug, wie ist die Echtreichweite, was können wir zuladen, wenn wir schon durch die schweren Batteriepacks eingeschränkt sind? Die Elektrifizierung ist kein Projekt, wo man sagen kann, „Wenn‘s nicht läuft, steigen wir übermorgen wieder aus“. Dann wurde noch kurzfristig der Umwelt-Bonus für Unternehmen abgeschafft, das war auch nicht besonders hilfreich. Aber unsere Mitgliedsbetriebe lassen sich trotzdem nicht aufhalten. Vor kurzem haben wir mit unserem Verbandsmitglied Eppendorf Group aus Hamburg gesprochen. Die haben mittlerweile bereits nahezu 70 Prozent der Gesamtflotte von 400 Fahrzeugen elektrifiziert. Auch SAP ist vorne mit dabei.

„Es gibt Branchen und Bereiche, wo E-Mobilität schwierig ist. Nehmen Sie Pflegefahrzeuge, die können nicht an der öffentlichen Ladestation warten.“

Marc Oliver Prinzing

In der EU will man die Elektrifizierung der Dienstwagen-Flotten bis 2030 vorantreiben, weil eine höhere Elektrifizierungsrate hier überproportional auf die Gesamtemissionen des Verkehrs wirkt. Wie Sie vorhin sagten, die Dienstwagen-Branche bringt eine Menge Autos auf die Straße …

Ja, sie forciert Innovationen und Fahrzeugentwicklungen, weil sich der Bestand schneller dreht. Dass die Politik erkannt hat, welche Volumen über den Dienstwagen-Markt bewegt werden, finde ich begrüßenswert. Ob da Quoten hilfreich sind, weiß ich nicht. Eher brauchen wir mehr Unterstützung – im Ausbau von Ladeinfrastruktur, in der Qualifizierung von Personal im Mobilitätsmanagement. Man muss fairerweise auch dazu sagen, es gibt immer noch Branchen und Bereiche, wo E-Mobilität schwierig ist.

Mehrere Elektrotransporter werden gleichzeitig an Ladestationen aufgeladen
Bei Transportern stößt E-Mobilität an Grenzen, weil die nötigen Anhängelasten vielerorts noch nicht erreicht werden. Foto: Scharfsinn86

Welche wären das?

Nehmen Sie Pflegefahrzeuge, Altenpflege, ein paar Hundert Fahrzeuge in jeder Großstadt, mit festgelegten Stationen und hohem Zeitdruck. Die können nicht an der öffentlichen Ladestation warten. Oder das Thema Transporter, wo die Anhängelasten noch nicht da sind, wo sie benötigt werden.


Macht die Elektrifizierung den Fuhrpark billiger?

In vielen Fällen ja – allerdings nicht automatisch. Elektrofahrzeuge bieten in der Regel Vorteile bei Wartung und Energieverbrauch. Die 0,25 Prozent-Regel stärkt zudem die Attraktivität im Benefit-Modell. Entscheidend für die Gesamtbetriebskosten sind Fahrprofil, Strompreis, Ladeinfrastruktur, Ladeanteile, Restwerte und Finanzierungsbedingungen. Wer datenbasiert steuert und Ladeprozesse im Griff hat, kann die Gesamtkosten spürbar senken – besonders bei hohen Jahreslaufleistungen oder im städtischen Außendienst. Rechnet man die Infrastrukturkosten auf nur zehn Fahrzeuge um, wird es schwierig. Betrachtet man jedoch die Gesamtkosten der Nutzung, sind E-Fahrzeuge günstiger als Verbrenner. Entscheidend ist, wo geladen wird: Industriestrom ist sehr günstig, Schnelllader an Autobahnen verlangen hingegen rund 70 Cent pro Kilowattstunde – da liegen die Energiekosten über denen eines Verbrenners. Die Reifenkosten sind bei E-Autos zudem drei- bis viermal höher, wegen stärkerer Beschleunigung und größerer Dimensionen (z. B. 19-Zoll beim ID.7). Doch das wird sich mit der Zeit angleichen.

Michael Hopp

Text: Michael Hopp

Head of Content bei der Gateway-Redaktion und absoluter Pionier beim Erkennen von Automotive Trends

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