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Futuristische Stadtlandschaft

Interview mit Philippe Colpron, ZF

Uptime als strategischer Erfolgsfaktor

04.12.2025

Philippe Colpron sieht die Herausforderungen eines Aftermarkets im Wandel nicht nur in der Technologie, wie er im Exklusiv-Interview mit Gateway sagt.

Lesedauer: 5 Minuten

Philippe Colpron
Philippe Colpron, Leiter ZF Aftermarket. Foto: ZF

Wie wird sich der globale Aftermarket in den kommenden zehn Jahren entwickeln? Welche entscheidenden Veränderungen erwarten Sie in der Branche?

Der globale Aftermarket wird sich in den nächsten zehn Jahren grundlegend wandeln, angetrieben durch technologische Entwicklungen, wachsende Kundenerwartungen und den damit verbundenen Mehrwert, den wir als Aftermarket für unsere Kunden schaffen müssen.

Die bedeutendsten Veränderungen ergeben sich aus der zunehmenden Elektrifizierung von Fahrzeugen, der wachsenden Rolle von Software und Fahrerassistenzsystemen sowie der fortschreitenden Fahrzeugvernetzung. Ergänzt wird dies durch die Digitalisierung von Kanälen, Schnittstellen und Marktplätzen sowie dem künftigen Einfluss von Big Data und KI. All diese Faktoren führen zu einem tiefgreifenden Wandel in der Wahrnehmung von Wertschöpfung im Aftermarket, sowohl bei Kunden als auch in der Gesellschaft.

Mit der raschen Einführung neuer Technologien und den steigenden Erwartungen muss sich die Rolle des Aftermarkets von einer teils reaktiven oder opportunistischen Funktion hin zu einem integrierten Ökosystem entwickeln, das nahtlose Mobilität ermöglicht. Diese Entwicklung verändert die Serviceanforderungen der Branche und erfordert neue Kompetenzen, um Kunden maßgeschneiderte, intelligente Produkte und Services bereitzustellen – bei gleichzeitiger Sicherstellung von geografischer Abdeckung, Verfügbarkeit und lokaler Nähe.

Alles, was wir bei ZF Aftermarket tun, ist darauf ausgerichtet, die passenden Lösungen für die Anforderungen unserer Kunden zu schaffen. Um die Mobility Uptime, also die maximale Verfügbarkeit der Mobilität, zu erhöhen, setzen wir auf eine klare Strategie mit drei tragenden Säulen: Erstens stärken wir Vertrauen und Partnerschaften mit Distributoren, Werkstätten und Flottenbetreibern. Zweitens bieten wir hochwertige, innovative Produkte und sichern den Zugang zu unserem umfassenden Lösungsportfolio. Und drittens orchestrieren wir Ökosystemlösungen, um einen proaktiven, integrierten Aftermarket zu schaffen. Diese drei Säulen gewährleisten, dass wir die Anforderungen von heute erfüllen und gleichzeitig die Herausforderungen von morgen meistern.

„Unser Anspruch bei ZF Aftermarket ist es, unsere Kunden mit Lösungen zu unterstützen, die ihnen helfen, erfolgreich zu bleiben und Herausforderungen zu meistern.“

Philippe Colpron

Welche strategischen Schritte sollten Ihre Kunden jetzt ergreifen, um den Veränderungen voraus zu sein und in der zukünftigen Aftermarket-Landschaft wettbewerbsfähig zu bleiben?

Unsere Kunden spielen eine zentrale Rolle, um Menschen und Güter in Bewegung zu halten, und dabei stehen sie alle vor unterschiedlichen Herausforderungen. Diese reichen von technologischen Entwicklungen über regulatorische Vorgaben bis hin zu Nachhaltigkeit, wobei die Komplexität Jahr für Jahr zunimmt. Unser Anspruch bei ZF Aftermarket ist es, der „Partner der Wahl“ zu sein: Wir unterstützen unsere Kunden mit Lösungen, die ihnen helfen, erfolgreich zu bleiben und Herausforderungen zu meistern. Mit den sich wandelnden Anforderungen unserer Kunden entwickeln sich auch unsere Lösungen kontinuierlich weiter.

Kfz-Mechaniker öffnet Ersatzteilkartons in einer Autowerkstatt

Um beispielsweise Großhandelskunden in ihrer Mission zu unterstützen, das richtige Teil zur richtigen Zeit bereitzustellen, bauen wir erstklassige Logistikkompetenzen auf – über unser gesamtes Portfolio hinweg, das in Breite und Tiefe hinsichtlich Produktpalette, Anwendungsabdeckung und Fahrzeugsegmenten unübertroffen ist. Für Werkstätten entwickeln wir Programme, die den Zugang zu modernsten Technologien und Software ermöglichen, ergänzt durch umfassenden technischen Support, professionelle Schulungen, fortschrittliche Diagnosetools und Online-Daten, damit sie wettbewerbsfähig bleiben und wachsen können. Für Flottenbetreiber erweitern wir kontinuierlich unser globales Servicenetzwerk und statten es mit innovativen Technologien sowie vernetzten Datendiensten aus, um die Auslastung ihrer Assets zu optimieren, Betriebskosten zu senken und pünktliche Lieferungen sicherzustellen.

„Traditionell war der Aftermarket linear organisiert. Was wir heute brauchen, ist ein Aftermarket-Ökosystem.“

Philippe Colpron

Sie haben das Aftermarket-Ökosystem angesprochen, in dem alle Akteure nahtlos zusammenarbeiten. Welche Vorteile ergeben sich daraus und wie kann es sich weiterentwickeln?

Traditionell war der Aftermarket linear strukturiert: vom Teilehersteller über den Großhandel zur Werkstatt und schließlich zur Flotte. Jeder von uns verwaltet enorme Datenmengen. Die eigentliche Chance liegt also darin, diese Silos aufzubrechen und ein vollständig integriertes Ökosystem zu schaffen.

Wenn Daten nahtlos fließen – vom Fahrzeug auf der Straße über den Flottenbetreiber zur Werkstatt und zurück über den Distributor bis zum Hersteller – profitieren alle Beteiligten. Flotten können Ausfallzeiten reduzieren, Werkstätten ihre Effizienz trotz begrenzter Ressourcen steigern und Distributoren sowie Hersteller ihre Logistik und Bestandsplanung optimieren. Statt Herausforderungen isoliert zu bewältigen, wird die gesamte Kette in einem integrierten Ökosystem intelligenter und reaktionsfähiger.

Diese Entwicklung verändert das Geschäftsmodell grundlegend. Digitale Lösungen ermöglichen uns, über den reinen Teileverkauf hinauszugehen und Services anzubieten, die echten Mehrwert im gesamten Aftermarket schaffen. Predictive Maintenance, KI-gestützte Reparaturunterstützung und Echtzeit-Logistikplanung sind dabei erst der Anfang.

Es geht nicht um Daten allein, sondern darum, sie in nutzbare Services zu transformieren – um Kundenbeziehungen zu stärken und den Aftermarket zu einem vernetzten, kollaborativen Ökosystem weiterzuentwickeln.

„Digitale Lösungen ermöglichen es uns, Services anzubieten, die Mehrwerte im gesamten Aftermarket schaffen.“

Philippe Colpron

Die Zukunft der Automobilbranche ist stark datengetrieben: Welche Herausforderungen sehen Sie im Hinblick auf Fahrzeugsoftware? Und wie bewerten Sie einen fairen und gerechten Datenzugang für die verschiedenen Akteure im Aftermarket-Ökosystem?

Softwaredefinierte Fahrzeuge eröffnen enorme Chancen – vom verbesserten Fahrerlebnis bis hin zur autonomen Mobilität. Gleichzeitig stellen sie uns vor Herausforderungen wie Cybersicherheit und faire Reparierbarkeit. Wir müssen die Unternehmen in der Branche daher mit den richtigen Lösungen ausstatten, um zunächst einen erfolgreichen Betrieb zu gewährleisten und anschließend aber auch die Potenziale vernetzter Fahrzeuge und prädiktiver Intelligenz für optimierte Wartungsservices und nahtlose Mobilität zu erschließen.

Mitarbeiter scannt Lagerbestände mit einem Tablet zwischen Regalen

Zahlreiche Akteure tragen in der Wertschöpfungskette dazu bei, Mobility Uptime Realität werden zu lassen – mit individuellen Daten-Schnittstellen. Dennoch bestehen aktuell zahlreiche Ineffizienzen, die unnötige Kosten verursachen. Hier liegt eine große Chance, zusätzlichen Wert zu schaffen durch bessere Kommunikation und Zusammenarbeit in einem integrierten Netzwerk. Wir stellen uns eine Zukunft vor, in der Fahrzeugsoftware über Telematik mit Wartungsservices interagiert, Werkstätten ihre Abläufe vorausschauend planen und Distributoren ihre Bestände optimieren können, um eine reibungslose Logistik sicherzustellen. Diese Zukunft wird jedoch nur Realität, wenn wir aktiv und gemeinsam daran arbeiten.

Fairer Umgang mit Daten bedeutet, das richtige Gleichgewicht zu finden: offenen Zugang dort, wo es erforderlich ist, und gleichzeitig die Sicherheit und Integrität der Fahrzeuge zu gewährleisten. Dieses Gleichgewicht erfordert eine branchenweite Zusammenarbeit, klare Standards, garantierte Interoperabilität und die Beseitigung von Ineffizienzen, die unnötige Kosten und Komplexität verursachen.

Laptop mit ZF-Aftermarket-Trainingstools auf einem Werkstattwagen

Welche zentralen Hürden gilt es zu überwinden, um ein vernetztes Ökosystem im Aftermarket zu realisieren?

Die größten Herausforderungen sind nicht nur technologisch, sondern auch strukturell, organisatorisch und regulatorisch bedingt.

Bei Technologie und Regulierung ist Klarheit beim Datenzugang entscheidend. Sie schafft ein faires Wettbewerbsumfeld für Serviceanbieter und ermöglicht eine dynamische Datenökonomie, die bessere Angebote für Verbraucher liefert. Derzeit ist der Zugang zu Daten vieler Teilnehmer noch eingeschränkt. 

Ein klarer Rahmen, wie Fahrzeugdaten Dritten zugänglich gemacht werden sollen, würde sehr helfen. Regulatorische Initiativen wie die EU-Datenverordnung sind ein wichtiger erster Schritt. Wir gehen davon aus, dass ergänzende Gesetzgebung nötig sein wird, um Transparenz bei Daten und Preisen sicherzustellen und einen gemeinsamen, hochwertigen Datensatz für offenen, aber geschützten Zugriff über Schnittstellen wie die On-Board-Diagnose bereitzustellen.

Darüber hinaus arbeiten heute verschiedene Akteure in Silos – mit eigenen Systemen, Standards und Prioritäten. Dies führt zu Fragmentierung und Ineffizienzen, gerade in einer Branche, die immer komplexer wird durch koexistierende Fahrzeugtechnologien, wachsende Produktvielfalt und steigende Anforderungen an Service, Geschwindigkeit und Qualität. Hinzu kommt die Herausforderung, Talente zu entwickeln, die digitale Expertise nahtlos mit tiefem Branchenwissen verbinden. Der Fachkräftemangel erschwert die Anpassung an neue Technologien zusätzlich.

ZF Aftermarket arbeitet aktiv an Lösungen für diese Herausforderungen – nicht nur mit innovativen Produkten und Services, sondern auch durch den Abbau historischer Silos und die Vernetzung von Teams, Partnern und Technologien. Unser Ziel: die Voraussetzungen schaffen, damit alle Akteure das Potenzial von Daten optimal nutzen können. Wir teilen Wissen, liefern umsetzbare Insights und unterstützen bei Themen wie Talententwicklung. Wie eingangs erwähnt, ist alles, was wir tun, darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse unserer Kunden zu erfüllen. Unsere Mission bleibt klar: Maximizing Mobility Uptime für alle.

Michael Hopp

Text: Michael Hopp

Head of Content bei der Gateway-Redaktion und absoluter Pionier beim Erkennen von Automotive Trends

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