Zentralasien rückt als Absatz- und Produktionsstandort der Automobilbranche zunehmend in den Fokus. Chinesische Marken drängen auf den dortigen Markt. Der Ausbau regionaler Produktionsstätten nimmt Fahrt auf und mit ihm das Gewicht der Region als Drehscheibe zwischen Ost und West.
Zentralasien, bestehend aus Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan, Tadschikistan und Turkmenistan, rückt zunehmend in den Fokus der internationalen Automobilindustrie. Die Region zählt mit über 80 Millionen Einwohnern zu den Schwellenmärkten. Kasachstan ist nicht nur der größte Automobilmarkt der Region – mit rund 200.000 Neuzulassungen im Jahr 2023 –, sondern auch ein wachsendes Zentrum der Autoproduktion. Vor allem die Allur Group spielt hier eine Schlüsselrolle. In ihrem Werk in Kostanai werden Fahrzeuge für Marken wie Chevrolet, JAC, Chery, Kia und Hyundai montiert. Die lokale Produktion deckt rund 70 Prozent des inländischen Marktes ab. Unterstützt wird die Branche durch die/eine zollfreie Einfuhr von Teilen, Steuervergünstigungen und strategische Partnerschaften, etwa mit chinesischen OEMs.
Usbekistan ist mit seinen 36 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat Zentralasiens – und traditionell das industrielle Herz der Region. Der Staatskonzern UzAuto Motors (ehemals GM Uzbekistan) dominiert den Pkw-Markt mit einem Marktanteil von über 90 Prozent. Produziert wird unter der Marke Chevrolet, mit Modellen wie dem Cobalt, Nexia oder Tracker, die weitgehend auf früheren General-Motors-Plattformen basieren.
Die Fertigung erfolgt in mehreren Werken, allen voran in Asaka. Jährlich werden rund 280.000 Fahrzeuge produziert, ein Teil davon geht in den Export, etwa nach Russland, Aserbaidschan oder Georgien. Um im wachsenden Wettbewerb mit chinesischen Herstellern zu bestehen, hat Usbekistan 2023 ein Joint Venture mit dem chinesischen Konzern BYD gestartet. Zudem hat die dortige Regierung angekündigt, die Produktion von Elektrofahrzeugen in der Region Ferghana zu fördern, wo mit chinesischer Unterstützung ein Werk für rund 1,5 Milliarden US-Dollar entstehen soll.
Die geopolitische Bedeutung wächst
„Der Ausbau des mittleren Transportkorridors sowie die geplante Eisenbahnmagistrale zwischen Usbekistan, Kirgistan und Xinjiang in China werden nicht nur den Import chinesischer Fahrzeuge erleichtern, sondern auch Exportprodukte ‚made in Central Asia‘ nach China, aber auch nach Europa fördern“, sagt Vladimir Nikitenko, Regionaldirektor Zentralasien des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.
Die Region ist nicht nur Transitkorridor für Güter, sondern zunehmend auch Absatzmarkt für Fahrzeuge. Besonders das Nachbarland China investiert dort massiv, auch und gerade in den Automobilsektor – mit langfristigem Interesse. „Die Sanktionen gegen Russland und die globalen Veränderungen in den Lieferketten haben den Trend hin zu chinesischen Zulieferern beschleunigt. Viele zentralasiatische Händler und Verbraucher betrachten chinesische Hersteller inzwischen nicht nur als Alternative, sondern als langfristige strategische Partner. Zudem haben Reexportrouten über Kasachstan und Usbekistan die Region zu einem Knotenpunkt für parallele Importe gemacht“, sagt Nodir Ayupov, Experte der Schneider Group für Zentralasien. In der Außen- und Wirtschaftspolitik versuchen die Länder Zentralasiens, sich nach allen Seiten hin offen zu halten. „Sie pflegen diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu großen Akteuren wie Russland, China, den USA sowie der EU und versuchen insgesamt, den großen Einfluss ihrer Nachbarstaaten auszubalancieren“, so Nikitenko.
„Der Ausbau des mittleren Transportkorridors sowie die geplante Eisenbahnmagistrale zwischen Usbekistan, Kirgistan und Xinjiang in China werden nicht nur den Import chinesischer Fahrzeuge erleichtern, sondern auch Exportprodukte ‚made in Central Asia‘ nach China, aber auch nach Europa fördern“
Wachstumsmarkt mit Anlauf – Pkw-Absatz und E-Mobilität
Kasachstan und Usbekistan sind die Taktgeber des zentralasiatischen Pkw-Markts: Gemeinsam stehen sie dort für über 90 Prozent aller Neuzulassungen. Allein in Kasachstan wurden 2023 rund 200.000 neue Fahrzeuge registriert – ein Anstieg um 60 Prozent gegenüber 2022. Etwa 70 Prozent dieser Fahrzeuge stammen aus lokaler Produktion. „Chinesische und russische Automobilhersteller haben in den vergangenen Jahren ihre Marktpräsenz deutlich ausgebaut. Insbesondere, nachdem westliche Marken ihre Aktivitäten in der Region zurückgefahren haben. In Usbekistan und Kasachstan gewinnen chinesische Marken schnell an Boden, was vor allem auf ihr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ihre Anpassungsfähigkeit zurückzuführen ist. Russische Marken, primär Lada und GAZ, genießen nach wie vor eine hohe Markenbekanntheit, vor allem in ländlichen Gebieten“, so Ayupov.
E-Autos werden seit 2023 beliebter. Zuspruch erzielen vor allem relativ preisgünstige Fabrikate aus China, die E-Autos für breitere Käuferschichten interessant machen. Besonders erfolgreich ist dort die E-Marke Zeekr des Herstellers Geely. Angaben des kasachischen Statistikbüros zufolge gab es Anfang 2024 landesweit knapp 8.000 Pkw mit Elektromotor und somit fast zehnmal so viele wie noch im Jahr zuvor. Der usbekische Staat fördert die Elektromobilität und will im Rahmen einer Initiative von 2024 bis 2030 bis zu einer halben Million E- und Hybridfahrzeuge produzieren. In einem Joint Venture von UzAuto und BYD investieren die Partner 160 Millionen US-Dollar in neue Montagewerke. Die usbekische Regierung unterstützt die E-Mobility-Initiative mit einem Programm zum Ladesäulenausbau, das sie im Frühjahr 2024 angekündigt hat.
„In Usbekistan und Kasachstan gewinnen chinesische Marken wie Chery, Haval und Geely schnell an Boden, was vor allem auf ihr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ihre Anpassungsfähigkeit zurückzuführen ist. Russische Marken, primär Lada und GAZ, genießen nach wie vor eine hohe Markenbekanntheit, vor allem in ländlichen Gebieten.“
Markenlandschaft: zwischen Sowjet-Erbe und China-Drive
Traditionell wird der Automobilmarkt in Zentralasien, vornehmlich in Kasachstan und Usbekistan, von Marken wie Chevrolet, Toyota, Lada und Hyundai dominiert. Diese Hersteller genießen eine starke Markentreue, nicht zuletzt aufgrund der Robustheit ihrer Fahrzeuge, des guten Zugangs zu ihren Ersatzteilen und ihrer jahrzehntelangen Präsenz in der Region. Doch seit einigen Jahren holen chinesische Hersteller rasant auf und gewinnen zunehmend Marktanteile. „Durch eine Investition von 1,5 Milliarden US-Dollar in ein neues Autowerk in Ferghana (Usbekistan) dürfte der chinesische Marktanteil in beiden Ländern deutlich zunehmen“, so Nikitenko. Marken wie Haval, Chery und Geely haben sich insbesondere in Kasachstan fest etabliert. Laut der kasachischen Automobilvereinigung AKAB gehörten die Modelle chinesischer Marken im Jahr 2023 dort bereits zu den fünf meistverkauften Fahrzeugen . Sie punkten nicht nur mit einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern auch mit moderner digitaler Ausstattung wie großen Touchscreens, Sprachsteuerung oder integrierten Entertainment-Systemen – in ihrer Preisklasse ein Alleinstellungsmerkmal.
Regionale Fertigung im Aufwind
Die regionale Autoproduktion ist noch überschaubar, wächst aber. In Kasachstan betreiben Hyundai, Chevrolet und der russische Hersteller KAMAZ Montagewerke, mit teils wachsender lokaler Wertschöpfung. Noch größer ist das Produktionsvolumen in Usbekistan, wo UzAuto Motors als Quasi-Monopolist agiert. UzAuto Motors und die Allur Group sind zwar auf ihren heimischen Märkten wettbewerbsfähig, allerdings ist ihr Exportpotenzial noch im Aufbau inbegriffen. „In Kasachstan profitiert die Allur Group von protektionistischen Maßnahmen und Partnerschaften mit internationalen Marken“, sagt Ayupov. „Die Lokalisierung von Komponenten, die Modernisierung der Produktionsanlagen sowie der Zugang zu internationalen Märkten entscheiden über die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Länder“, erklärt Ayupov. In Kirgistan und Tadschikistan gibt es kleinere Montagekapazitäten, vielfach unter chinesischer Beteiligung. Der Trend geht dabei zur stärkeren Regionalisierung: Fahrzeuge sollen nicht nur vor Ort verkauft, sondern zunehmend auch dort gebaut werden. Diese Entwicklungen zeigen, dass Zentralasien ein bedeutender Wachstumsmarkt für die Automobilindustrie ist, mit zunehmender Bedeutung für internationale Hersteller und Investoren.