Die Automobilindustrie gehört zu den bedeutendsten Wirtschaftszweigen Südafrikas. Doch während die Produktionszahlen weiterhin solide sind, steht die Branche vor enormen Herausforderungen – von strukturellen Problemen im Land bis zu globalen Umbrüchen bei der Automobiltechnik.
Südafrika ist die am stärksten industrialisierte Volkswirtschaft des afrikanischen Kontinents. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes belief sich im Jahr 2023 auf rund 373 Milliarden US-Dollar, was Südafrika in Bezug auf die Wirtschaftsleistung in Afrika regelmäßig den Spitzenplatz sichert. Trotz wachsender sozioökonomischer Herausforderungen – von hoher Arbeitslosigkeit bis zu strukturellen Engpässen bei der Energieversorgung – bleibt die Automobilindustrie eine stabile Säule der südafrikanischen Wirtschaft. Sie trägt insgesamt etwa fünf bis sechs Prozent zum BIP bei und ist damit einer der wichtigsten Industriezweige des Landes. Dieser Sektor sorgt nicht nur für Deviseneinnahmen durch Exporte, sondern sichert auch über 100.000 Arbeitsplätze, von der Fahrzeugmontage über Zulieferbetriebe bis zum Handel. Die starke Einbindung in die globalen Produktionsketten und die Präsenz großer internationaler Hersteller machen die südafrikanische Automobilindustrie zu einem zentralen strategischen Wirtschaftssektor.
Autos für die Welt
Im Jahr 2024 umfasste das südafrikanische Produktionsvolumen rund 515.850 Fahrzeuge. Dadurch bleibt das Land der größte Automobilmarkt des afrikanischen Kontinents, verzeichnete gegenüber 2023 jedoch einen Rückgang um drei Prozent. „Infrastrukturelle Probleme und das anhaltende schwache Wirtschaftswachstum drücken auf die Kaufkraft der Verbraucher. Zudem belasten hohe Kreditkosten potenzielle Käufer, worunter besonders der Absatz höherpreisiger Modelle leidet“, sagt Jenny Tala, Director Southern Africa, Germany Trade & Invest (GTAI) in Johannesburg. Bemerkenswert ist dabei der hohe Exportanteil: Etwa 64 Prozent aller in Südafrika gefertigten Fahrzeuge führt das Land in internationale Märkte aus. Die wichtigsten Abnehmerländer sind Deutschland, das Vereinigte Königreich, Australien und Japan – allesamt Industriestaaten mit hohen Qualitätsanforderungen. Zu den wichtigsten Produktionsstätten zählen die Werke von Toyota in Durban, von Volkswagen in Uitenhage, von Mercedes-Benz in East London, von Ford in Pretoria sowie von BMW in Rosslyn. Einige dieser Standorte spielen eine besondere Rolle: So produziert das BMW-Werk in Rosslyn den X3 ausschließlich für den Export.
„Während europäische Hersteller in Südafrika traditionell stark vertreten sind und dort auch produzieren, strömen zunehmend preisgünstige Importmodelle aus China auf den Markt.“
Auf Südafrikas Straßen
Parallel zur industriellen Fertigung zeigt sich der südafrikanische Automobilmarkt relativ stabil. Im Jahr 2023 wurden im Land rund 532.000 Neufahrzeuge verkauft. Marktführer war erneut Toyota mit einem Marktanteil von etwa 25 Prozent, gefolgt von Volkswagen mit rund 18 Prozent und Suzuki mit etwa 12 Prozent. Die Verkaufszahlen spiegeln zugleich die Vorlieben der südafrikanischen Konsumenten wider: Der Toyota Hilux war das meistverkaufte Modell, gefolgt vom Ford Ranger und vom Volkswagen Polo Vivo. Diese Fahrzeuge verbinden Robustheit mit Alltagstauglichkeit – zwei Eigenschaften, die unter den südafrikanischen Bedingungen besonders geschätzt werden.
„Während europäische Hersteller in Südafrika traditionell stark vertreten sind und dort auch produzieren, strömen zunehmend preisgünstige Importmodelle aus China auf den Markt. Diese Entwicklung eröffnet nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen, etwa für neue Partnerschaften, die Südafrika dabei helfen könnten, seine industrielle Basis zu verbreitern und neue Exportmärkte zu erschließen“, erklärt Tala. Dadurch wäre das Land dazu in der Lage, die Abhängigkeit von europäischen OEMs zu verringern und die lokale Wertschöpfung zu stärken, beispielsweise durch Joint Ventures, Technologietransfer und lokale Montagewerke, so die Expertin weiter. Für Südafrika ist die Kfz- und Zulieferindustrie von enormer Bedeutung, weil sie eine wichtige Arbeitgeberin im Land ist, das im Jahr 2024 unter einer Arbeitslosenquote von 32 Prozent litt.
E-Mobilität im Rückspiegel
Während die konventionelle Automobilproduktion in Südafrika folglich gut aufgestellt ist, befindet sich der Bereich der Elektromobilität noch ganz am Anfang. Der Anteil von Elektroautos an den gesamten Neuzulassungen lag 2023 bei unter einem Prozent. Zahlreiche strukturelle Hindernisse bremsen die Entwicklung: So erhebt Südafrika Importzölle von bis zu 25 Prozent auf Elektrofahrzeuge, was sie für viele Verbraucher unerschwinglich macht. Weiterhin fehlt es vor Ort an einer Produktion von Batterien oder anderen zentralen Komponenten. Noch gravierender wirkt sich jedoch die instabile Stromversorgung auf die Verbreitung der Elektromobilität aus: „Eines der zentralen Hemmnisse für das Wachstum des lokalen EV-Marktes ist das Fehlen einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur, insbesondere außerhalb der Metropolregionen“, sagt Tala. Das sogenannte Loadshedding – das heißt geplante Stromabschaltungen – erschwert zudem nicht nur das Laden von Fahrzeugen, sondern untergräbt auch das Vertrauen in die Alltagstauglichkeit der E-Mobilität. Landesweit existieren derzeit nur rund 300 öffentliche Ladestationen. Unter diesen Bedingungen bleibt der Ausbau einer nachhaltigen Mobilitätsinfrastruktur eine Zukunftsaufgabe.
Die größten Herausforderungen
„Das bevorstehende Verbrennerverbot in der EU und im Vereinigten Königreich sowie geopolitische Spannungen und Handelskonflikte zwingen die Branche zur Neuausrichtung. Wichtig ist daher eine Diversifizierung der Exportmärkte, etwa durch die stärkere Erschließung von Regionen wie Südostasien, Lateinamerika oder dem Nahen Osten“, gibt Tala zu bedenken. Neben diesen außenwirtschaftlichen Risiken kämpft die Branche mit wachsenden Herausforderungen im Inland. Eine der gravierendsten ist die Energiekrise: Der marode Staatskonzern Eskom kann keine stabile Stromversorgung gewährleisten. Die damit verbundenen Ausfälle stören nicht nur die industrielle Produktion, sondern auch die Logistik und Lieferketten. Zudem wirkt die Energiekrise wie ein Brandbeschleuniger, der soziale Spannungen anheizt und eine ungesetzliche Parallelwirtschaft ermöglicht, die den Staat schwächt. Bei modernen, automatisierten Fertigungsprozessen kann jeder Stromausfall zu einem Stillstand mit erheblichen Kosten führen. Ein weiteres Problem ist die hohe Kriminalitätsrate, insbesondere auf wichtigen Transportwegen. Die Route N3 zwischen Johannesburg und dem Hafen von Durban ist immer wieder von Überfällen betroffen, bei denen Fahrzeuge und Frachtgüter gestohlen werden.
2035 soll die Wende bringen
Die Regierung geht die Probleme mit dem South African Automotive Masterplan 2035 an und hat darin ambitionierte Ziele formuliert. Vor allem will die Regierung demnach die bestehenden Arbeitsplätze in der Autoindustrie sichern und neue schaffen. Insbesondere sollen Zulieferbetriebe, Entwicklungslabors und Logistikzentren gefördert werden. Geplant ist zudem eine deutliche Steigerung der Fahrzeugproduktion auf bis zu 1,4 Millionen Einheiten jährlich. „Experten zufolge liegt die installierte Kapazität bei 800.000 bis 900.000 Einheiten pro Jahr. Ein erheblicher Teil der Infrastruktur ist somit bereits vorhanden und mittelfristig ist das Ziel von 1,4 Millionen durchaus erreichbar“, so Tala. Zudem soll die lokale Wertschöpfung deutlich erhöht werden. Der Anteil lokal gefertigter Komponenten wie Motoren, Getriebe oder elektronische Steuergeräte soll maßgeblich steigen. Im Bereich der Elektromobilität sind ebenfalls wichtige Weichenstellungen vorgesehen: Die Regierung plant die Einführung von Subventionen für die lokale Produktion von Elektrofahrzeugen und diskutiert über eine Senkung der Importzölle, um den Markt für E-Autos zu öffnen und zugleich Investitionen in die Infrastruktur zu erleichtern. All diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, Südafrika langfristig als wettbewerbsfähigen Produktionsstandort zu erhalten.
Text: Dr. Sead Husic
Neuestes Mitglied der Gateway-Redaktion und Recherche-Profi