Pole Position in der Logistik: Rolf Lucht über Ferrari & die Formel 1
27.08.2025
Vor seinem Vortrag auf der Air Cargo Conference am 3. September in Frankfurt haben wir mit Rolf Lucht gesprochen. Er ist Director bei CEVA Logistics für den Bereich Healthcare Deutschland und Zentraleuropa und begeisterter Experte für die Formel 1-Logistik. Seine Karriere begann er 1990 als Rennmechaniker, unter anderem bei der Superkart-Weltmeisterschaft.
Als Logistikpartner von Ferrari befördert CEVA Equipment für die Crew rund um die Welt. Was begeistert Sie besonders an der Arbeit für die Formel 1?
Rolf Lucht: Es sind lange nicht nur die Rennautos, die für mich als Logistiker die eigentliche Faszination an der Formel 1 ausmachen. Noch interessanter ist eigentlich das ganze Drumherum. Wenn man z.B. auf einer leeren Rennstrecke steht und sich vor Augen führt, wie das Ganze aussieht, wenn die Formel 1 dort gastiert. Mit den ganzen Motorhomes, den Boxen, den Tribünen. Und das wird ja alles innerhalb von drei Tagen auf und abgebaut!
Wie sieht die logistische Planung für ihre Formel 1-Transporte aus, wenn ein Formel-1-Team mit seinen Fahrzeugen und Materialien innerhalb weniger Tage von einem Kontinent zum nächsten reisen muss?
Rolf Lucht: Für Ferrari befördern wir die Ausstattung des Teams, also alles, was rund um ein Rennen benötigt wird. Das sind z.B. Zubehör für die Pit Booths (Stände an den Boxenmauern), aber auch die riesigen Motorhomes, die an der Rennstrecke aufgestellt werden und die den Teams während der Rennen als mobiles Büro, Rückzugsort für die Fahrer, Restaurant und Besprechungsräume dienen. Dort isst die Crew, dort finden Pressekonferenzen und strategische Besprechungen statt und Gäste und Sponsoren werden dort empfangen. Und das alles transportieren wir fast ausschließlich mit Seefracht. Die Formel 1-Fahrzeuge befördert DHL, mit einer Ausnahme: Wenn wir mehrere Rennen in Europa haben, dann befördern wir mit CEVA-LKWs das gesamte Equipment und darunter dann auch die Fahrzeuge von einer Rennstrecke zur anderen. Das gleiche gilt auch für die USA. Wenn der Grand Prix der USA in Dallas mit dem Grand Prix von Mexiko in Mexiko City zusammenfällt, dann wird auch alles mit Trucks befördert.
Gab es ein Rennen, für das die Logistik besonders herausfordernd war – und wie haben Sie und Ihr Team diese gemeistert?
Rolf Lucht: Am herausforderndsten war bisher tatsächlich die Bahnfracht für Ferrari im amerikanischen Kontinent. Das war 2023, als wir das ganze Ferrari-Material mit dem Zug von Montreal nach Dallas und von dort mit Trucks nach Austin für den Grand Prix gebracht haben. Danach ging es per Zug von Dallas nach Los Angeles und mit Trucks nach Las Vegas. Die USA sind ja dafür bekannt, dass sie sehr gut mit Eisenbahngleisen durchzogen sind. Wir als CEVA, aber auch die Formel 1 und Ferrari haben uns auf die Fahnen geschrieben, möglichst nachhaltig zu transportieren. Also fiel die Wahl für den größten Teil der Strecke auf den Zug! Das hat an sich auch wunderbar funktioniert, aber der Weg dahin war lang und ein wenig steinig. Denn für den Bahntransport gibt es dort völlig andere Regeln, anderes Equipment, andere Geschwindigkeiten und andere Zeiten. Im Prinzip mussten wir alles komplett neu denken. Auch interessant war, dass in den USA das Formel 1-Material nicht die oberste Priorität beim Transport genießt. Es kommt dann schon mal vor, dass ein anderer Kunde wichtiger ist, z.B. wird ein Zementhersteller, der dringend auf seine Materialien wartet, vorgezogen. Das hat uns schon die eine oder andere Schweißperle auf die Stirn getrieben, weil natürlich am Equipment für so ein Renn-Wochenende wahnsinnig viel hängt. Am Ende des Tages hat aber alles gut funktioniert.
Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob die Rennwagen und Ausrüstung per See- oder Luftfracht oder auf anderen Wegen transportiert werden?
Rolf Lucht: Oberste Priorität hat natürlich immer erstmal die Machbarkeit. Da ist die Formel 1-Logistik nichts anderes, als wenn wir Schuhe oder Stahl befördern. Der zweite Punkt ist die Einhaltung der entsprechenden Zeitlinien, d.h. wie viel Puffer muss ich einberechnen und kann ich mir den überhaupt leisten? Dann kommen wir zu dem Punkt: Welchen Verkehrsträger nehmen wir? Als Tochter des drittgrößten Reeders weltweit bedienen wir schwerpunktmäßig Seefracht – auch für Ferrari. Das ist ein ganz anderer Ansatz als Luftfracht. Man muss viel langfristiger vorausplanen. Aber wir sind natürlich über alle Verkehrsträger vernetzt. Es kommt schließlich immer mal wieder vor, dass es nicht anders geht und man auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen muss, z.B. als der Suezkanal plötzlich dicht war. Dann muss man per Flugzeug, Truck oder Zug weitertransportieren.
„Bei der Luftfracht überlegt man: Wo will ich morgen sein? Bei der Seefracht muss ich mir heute überlegen, wo ich in sechs Wochen sein muss.“
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit bei der Auswahl der Verkehrsträger für die Formel 1-Logistik?
Rolf Lucht: Wenn wir bspw. mit Trucks befördern, überlegen wir uns schon, ob wir einen reinen Verbrenner nutzen oder lieber einen Elektro-LKW. Dadurch, dass das eigentliche Gewicht von so einem Container von Ferrari nicht schwerer ist als normale Fracht, ist das durchaus was, was man überlegen kann. Leider sind im Moment noch nicht überall E-Trucks verfügbar. In Deutschland mag das relativ unproblematisch sein, so wie auch in Holland oder Belgien, aber im restlichen Europa ist es schwieriger. Da greifen wir dann doch wieder auf die Dienstleister zurück, mit denen wir schon lange und gut zusammenarbeiten. Und wenn diese routinierten Dienstleister dann noch Elektro-Trucks anbieten – umso besser! Aber ganz ehrlich, meist steht die Nachhaltigkeit heute immer noch hinter der Machbarkeit und dem Zeitplan.
Welche speziellen Sicherheitsmaßnahmen ergreift CEVA Logistics, um sicherzustellen, dass die Ferrari-Ausstattung unbeschädigt und pünktlich an der Strecke eintrifft?
Rolf Lucht: Das Erste, was man wissen muss, ist, dass die generelle Sicherheit bei der Seefracht stellenweise umfangreicher ist als die bei der Luftfracht. Versuchen Sie mal in den Hamburger Containerhafen reinzulaufen! Da sind die Sicherheitsvorkehrungen nochmal höher als am Flughafen. Das Zweite ist, dass man die Container gegen Zugriff sichert, in dem man sie verplombt und mit schweren Schlössern aus Stahl sichert. Das dritte ist, dass wir im Container sogenannte Datenlogger verbauen. Dieser Logger registriert sofort, wenn der Container aufgeht und Licht reinkommt. Dann schlägt er an und wir bekommen ein Signal. Auch bei spontanen Temperaturänderungen, wenn ein Container ins Wasser fällt, o.Ä. Das kommt zwar selten vor, aber es kommt vor. Was man dagegen tun kann, ist, dass man spezielle Plätze für die Container bucht, z.B. unten im Frachtraum, im Schiffsbauch, wo die Container besser vor Zugriff geschützt sind und nicht herunterfallen können. Dann hat man einfach ein besseres Gefühl. Auch die Piraterie ist ein riesiges Thema für die internationale Schifffahrt, z.B. im Golf von Aden oder in Südostasien. Auf diesen Strecken wurden 2024 im Schnitt 20 % mehr Schiffe angegriffen als im Vorjahr. Unsere Schiffe sind deshalb unter anderem mit Wasserwerfern ausgestattet, um sich im Notfall vor Übergriffen schützen zu können. Wir sind in der Regel mit einem maximalen Verzug von ein bis zwei Stunden an der Sendung bzw. dem Container dran, um bei Bedarf schnell reagieren zu können. Denn dafür ist das Material– gerade bei Ferrari ¬– einfach zu wichtig.“