1. Produktion
Einen wesentlichen Anteil daran, E-Autos möglichst von Beginn an umweltfreundlich zu produzieren, hat die Rohstoffgewinnung. Schlüsselmaterialien wie Lithium, Kobalt und Nickel sind entscheidend, um den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Viele Hersteller setzen auf recycelte Materialien und suchen nach Alternativen zu konfliktbeladenen Rohstoffen. Aber auch die Produktion selbst muss so effizient wie möglich sein, um Ressourcen zu schonen. Bei BMW setzt man zum Beispiel auf den Einsatz von digitalen Tools wie Data Science und künstliche Intelligenz. Dadurch nimmt das Fahrzeug selbst als kommunikativer Bestandteil an der Produktion teil. Es erteilt durchgehend Auskunft über seinen Fertigungszustand oder meldet Montagefehler, die es eigenständig erkennt. Auf diese Weise optimiert man den Material- und Zeiteinsatz und verbessert die Qualitätsstandards. Mithilfe dieses Ansatzes ist es gelungen, den CO₂-Ausstoß in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu reduzieren.
2. Energie- und Ladeinfrastruktur
Klimaneutrale Mobilität benötigt mehr als mit Strom betriebene Autos. Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem alle Komponenten des Strom- und Verkehrssektors ineinandergreifen. Smart Charging ist hier ein wichtiges Stichwort – es beschreibt den Einsatz innovativer Technologien, um die lokalen Verteilnetze besonders smart aufzustellen. Denn die Zukunft besteht in der Erweiterung der Fähigkeiten der Stromnetze, Energie an einigen Stellen im Netzwerk zu speichern und an anderen abzugeben. Dazu ist eine bidirektionale Kommunikation zwischen E-Auto und Stromnetz notwendig. Die Software, die dafür beispielsweise die Netzmanagement- und Speichertechnologien steuert, wird künftig von künstlicher Intelligenz gestützt. Somit koppelt man den Strom- und Verkehrssektor stärker miteinander und sorgt für eine hocheffiziente Nutzung von Energie, die aus Sonne und Wind gewonnen wird. Zudem ermöglicht es, das gleichzeitige massenhafte Laden von Autos besser zu steuern. Und man verhindert Lastspitzen und gewährleistet, dass das Stromnetz und die Strompreise stabil und die Ladezeiten kurz bleiben.
3. Reichweite und Stromverbrauch
„Reichweitenangst“ – neben „Kindergarten“, „Wunderkind“ und „Poltergeist“ gibt es nun ein weiteres deutsches Wort, das sich im Englischen durchsetzt und vielleicht auch in anderen Ländern Käufer vom Umstieg auf Elektro abhält. Begründet ist diese Angst allerdings immer weniger, denn Forschung und Industrie sind bei den Batteriereichweiten über alle Erwartungen hinaus weitergekommen: Musste sich der Kunde bei einem Wagen der unteren Mittelklasse im Jahr 2021 noch mit 90 bis 150 Kilometern begnügen, sind es jetzt 150 bis 400, in der Mittelklasse sind im Durchschnitt bereits 600 Kilometer drin. Das sollte doch ausreichen für die durchschnittlich 10,9 Kilometer, die ein Pkw am Tag in der Stadt zurücklegt. Auch eine Urlaubsreise sollte mit einer Laderoutenplanung möglich sein. Für die gibt es inzwischen digitale Tools. Größere Reichweiten bei höherem Verbrauch – wie passt das zum Ziel von Klimaneutralität und E-Mobilität? Wie beim Verbrennerauto achten Hersteller darauf, die Steigerung der Reichweiten nicht nur durch vermehrten Energieeinsatz, sondern auch mit einem geringeren Verbrauch zu vereinbaren. (Im Moment liegt der Stromverbrauch eines E-Autos für 100 Kilometer bei etwa 15 Kilowattstunden und somit rund 4,65 Euro.) Die Hebel dafür liegen in der Effizienz des Antriebs (Motoren und E-Achse) und der Stromfresser im E-Auto, von denen die Heizung und Klimaanlage die größten sind. Nach einer Studie des VDI verursachen sie je nach Außentemperatur bis zu einem Drittel des Verbrauchs. Wärmepumpen sind hier eine Alternative, die sich nachträglich einbauen lässt und – nach einer Investition von 1.000 bis 1.500 Euro – langfristig für kosten- und emissionsfreie Klimatisierung des Innenraums sorgen kann. Eine weitere Variable ist – je nach Anspruch – auch das Gewicht der Batterie: Es liegt zwischen 250 (VW up!) und 700 Kilo (Tesla Model S).
4. Antrieb, Leistungselektronik, E-Motor
Vor allem drei Hauptkomponenten von E-Autos müssen weiterentwickelt werden, um ihre Leistung und Effizienz zu steigern: der Elektromotor, die Leistungselektronik und der Antriebsstrang. Beim E-Motor sind Fortschritte primär bei den Materialien, insbesondere bei Magneten und Kupferwicklungen, zu erwarten, denn die steigern die Effizienz und die Leistungsdichte. Leichte, verlustarme Materialien minimieren die Wärmeentwicklung und erhöhen die Reichweite. Innovative Motortypen wie die permanentmagneterregten Synchronmaschinen bieten hohe Drehmomente und Energieeffizienz. Auch eine Optimierung der Leistungselektronik verspricht große Vorteile, denn eine verbesserte Leistungselektronik kontrolliert die Stromzufuhr präziser. Materialien wie Siliziumkarbid und Galliumnitrid steigern die Effizienz, da sie höhere Schaltfrequenzen ermöglichen und weniger Wärme erzeugen. Die Integration intelligenter Steuerungen optimiert zudem den Stromfluss und reduziert Verluste.
Und schließlich gibt es auch beim Antriebsstrang Innovationen: Integrierte Achsantriebe und leichtere Materialien senken nämlich das Fahrzeuggewicht. Durch die Optimierung von Getriebe und Achse kann die Motorleistung besser übertragen werden, was die Beschleunigung und Reichweite erhöht.
5. Rohstoffe und Lieferketten
Die Rohstoffversorgung ist das Nadelöhr der Energiewende. Ganz besonders trifft das auf die Lieferketten der Elektromobilität zu, denn die Gewinnung von kritischen Rohstoffen wie Lithium, Kupfer, Kobalt in den Ländern des globalen Südens ist mit sozialen und ökologischen Krisen verknüpft. Da sich der Anteil dieser Stoffe etwa in den Batterien nur langsam reduzieren lässt, könnte nur eine hohe Recyclingrate innerhalb zirkulärer Lieferketten den Bedarf senken. Darum ist es aber schlecht bestellt: Der aktuell weltweit aus Batterierecycling zurückgewonnene Lithiumanteil macht im Moment etwa ein bis zwei Prozent des Bedarfs aus, bei Nickel drei bis fünf, bei Kobalt bis zu neun Prozent. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat 13 führende Elektroautohersteller in einer großen Untersuchung danach bewertet, wie sehr sie auf Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferketten achten. Deutsche Autobauer wie Mercedes, BMW und VW oder Elon Musks Tesla schneiden dabei vergleichsweise gut ab. Think Tanks, Beratungsfirmen und Hochschulinstitute arbeiten fieberhaft an Instrumentarien, wie Unternehmen ihren Fußabdruck bei der Herstellung verringern können. Das derzeitige Ungleichgewicht der Produktionskapazitäten erschwert dies. Viele europäische Automarken werden inzwischen komplett in China produziert – unter dort geltenden Umweltstandards – und bringen schon einen schweren ökologischen Rucksack mit, wenn sie in Europa in die Autohäuser kommen.
6. Batterie-Recycling
Europa steht vor einer enormen Herausforderung. Denn mit dem Anstieg von E-Autos entwickelt sich das Recycling ausgedienter Batterien zu einem wichtigen Bestandteil der Produktion. In den kommenden Jahren erwartet Europa eine Welle von Altbatterien, die man nachhaltig entsorgen muss. Um den Bedarf an Rohstoffen wie Lithium und Kobalt zu verringern, entwickelt die EU strenge Recyclingvorgaben und setzt auf Kreislaufwirtschaft, in der Altbatterien als Quelle für wertvolle Materialien dienen. Ein Blick nach China zeigt: Europa hat Nachholbedarf. China hat bereits jetzt umfassende Recyclingstrukturen aufgebaut: Bis 2030 erwartet das Land etwa 3.000 Kilotonnen an recycelten Batterien – eine immense Steigerung im Vergleich zu den 294 Kilotonnen im Jahr 2021. China setzt auf strenge Vorschriften und wirtschaftliche Anreize, um das Recycling und die Wiederverwertung von Batterierohstoffen zu fördern. Diese Strategie könnte als Blaupause für Europa dienen und helfen, den Ressourcenbedarf langfristig zu sichern sowie die Umweltauswirkungen des Verkehrssektors zu minimieren.
7. Vom Material zum Rezyklat
Unter der Voraussetzung, dass das Fahrzeug mit Ökostrom geladen wird, liegt der größte Teil der Emissionen in den verwendeten Werkstoffen. 85 Prozent dieser Werkstoffe werden in Europa heute schon als recyclingfähig deklariert – allerdings werden die entstehenden Rezyklate noch viel zu wenig genutzt. Hier soll die von der EU vorgeschlagene End-of-Life Vehicle Directive wirksam werden, die eine Rezyklat-Quote von 25 Prozent vorschreibt. Zur Umsetzung fehlen einige technische Voraussetzungen, etwa bei der sortenreinen Trennung miteinander verbundener Werkstoffe, aber auch Wertschöpfungsketten und vor allem die Altautos selbst, von denen Millionen, teils illegal, ins Ausland verkauft werden. Um hier voranzukommen, müssen die Unternehmen ihre Konstruktionsweise stärker auf die Anforderung der Kreislaufführung ausrichten und beispielsweise den Materialmix verkleinern, um eine verbesserte Sortenreinheit zu gewährleisten. Als Blaupause kann hier das ZEvRA-Projekt dienen, bei dem fünf OEMs gemeinsam Lösungen erarbeiten für ein ausschließlich aus zirkulären Werkstoffen bestehendes Fahrzeug. Zirkulärität erfordert, dass neue Technologien zur Herstellung von Materialien aus Altfahrzeugen entwickelt werden, und bei der Konstruktion von vornherein der Schwerpunkt auf der Montage-Demontage mit dem Ziel der Kreislauffähigkeit liegt.
8. Auto-Recycling
Auf dem Weg zum klimaneutralen Verkehr ist die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft in der Elektro-Autoindustrie grundlegend. Zahlreiche Unternehmen arbeiten hier an Lösungen. So leistet das Demontagezentrum von BMW seit Langem einen wichtigen Beitrag zum Recycling von Fahrzeugen und unterstützt das International Dismantling Information System IDIS. Dieses System stellt global allen autorisierten Vertretern wichtige Informationen zur fach- und umweltgerechten Demontage von Autos zur Verfügung. Durch die Unterstützung von IDIS ermöglicht jeder eingebundene Autoproduzent, dass Recyclingbetriebe weltweit auf detaillierte Anweisungen und Standards zugreifen können. Der Ausbau und die Wiederverwertung von Bauteilen werden damit verbessert. Gerade für E-Fahrzeuge ist IDIS von immenser Bedeutung. Denn der Umgang mit Hochvoltbatterien erfordert spezielle Kenntnisse und Sicherheitsmaßnahmen. Die Autoindustrie trägt somit dazu bei, dass die Verwertung von Batterien und anderen Komponenten weltweit effizient und umweltschonend erfolgt.
9. Gebrauchtmarkt
Damit die E-Mobilität Wirkung entfalten kann, müssen E-Autos verkauft werden. Neben „Reichweitenangst“ und hohen Anschaffungskosten war es bisher der nicht in Schwung kommende Gebrauchtwagenmarkt, der die Investition in ein E-Auto für viele zu riskant machte. Zuerst waren die Gebrauchtpreise zu hoch, und als sie fielen, rutschte auch der Wieder-Wiederverkaufswert ins nicht mehr Kalkulierbare ab. Auch Leasinghändler leiden: Die Restwerte von damals passen nicht mehr in den heutigen Markt, denn sie sind ein Minusgeschäft oder erhöhen die Leasingrate, was Kunden abschreckt. Dazu kommt: E-Autos haben eine so rasante Entwicklung genommen – im Antrieb, in der Leistungselektronik, bei den Batterien –, dass ein drei oder vier Jahre altes Modell heute bereits veraltet ist. Für ein weiteres Hindernis gibt es inzwischen eine Lösung. Sofern Unklarheit über den Zustand der Batterie (der teuersten E-Auto-Komponente) herrscht, gibt es einen Batterie-Check, der vom Fahrer selbst durchführbar ist. Neu entwickelte Tools verschiedener Anbieter geben Auskunft über den „State of health“ der Batterie und damit über den Wert, den sie noch hat. Die Messergebnisse werden zertifiziert und sind Teil der Preisermittlung. Ist die Batterie aber bereits erschöpft, kann sie geregelt den Weg in ihr Second Life antreten.
10. Normung
Erst mit der Normung durch DIN kommen in Europa Innovationen in die Welt der Dinge, weil sie sich nur dann mit den anderen Dingen verbinden können. Auch die Integration in die globalen Normwerke – es wird unterschieden in europäische und internationale Normung – wird von der DIN-Zentrale in Berlin koordiniert. Insgesamt arbeiten rund 37.500 Expertinnen und Experten an der Erarbeitung von Normen für alle Bereiche der Industrie. Bei der E-Mobilität laufen 95 Prozent der Normungen auf internationaler Ebene ab und bisher wurden etwa 250 Normen zur E-Mobilität festgelegt. Sie reichen von der Definition für das Thema Elektromobilität relevanter Begrifflichkeiten, über Sicherheitsfragen bis hin zu sämtlichen Spezifikationen ums Laden. Themen wie bidirektionales und induktives Laden stehen noch auf der Agenda. Beim Thema Laden im Schwerlastbereich arbeiten die Experten derzeit an der Schließung noch bestehender Normungslücken. Konzepte für die Infrastruktur befinden sich in Arbeit, darunter etwa, wie man in Einfamilien- oder Miethäusern Lademöglichkeiten standardisiert integriert. Als Aufgabe für die Industrie bringen E-Fahrer aus der Praxis dringlich ein, dass an den Stromladestationen die Bezahl-Apps und Karten vereinheitlicht werden müssen. Dann können Fahrer auch auf längeren Strecken innerhalb eines Systems verbleiben, ohne sich neu registrieren zu müssen. Dieses Thema zeigt, wo die Herausforderungen der E-Mobilität liegen. Um Lösungen zu finden, müssen alle zusammenarbeiten, auch wenn sie es bisher nicht getan haben. Alle sind gefordert: Autoindustrie, Finanzwirtschaft, Elektroversorger. DIN bringt sie alle an einen Tisch.
Wir bedanken uns bei Dr. Ing. Stefan Caba (EDAG Group), Dipl. Ing. Christof Kerkhoff (VDI-Gesellschaftt Fahrzeug- und Verkehrstechnik), und Corinna Scheu (DIN – Geschäftsstelle Mobilität) für die informativen Hintergrundgespräche und die gute Zusammenarbeit.