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Straßenbahn mit Radfaher im Straßenverkehr

Gen Z und Mobilität

„Nie an einem Ort bleiben, immer weiterziehen“

19.07.2024

Was will die Generation der 14- bis 29-Jährigen anders machen in der Mobilität? Kenntnisse und Einstellungen der Gen Z haben sich verändert, aber nicht alles lässt sich im persönlichen Verhalten auch umsetzen – das zeigen Daten, Experten und ein offenes Gespräch mit Schülern in einer deutschen Großstadt.

„Ich finde es super ungerecht, dass wir, die jungen Menschen, das alles irgendwie auf unseren Schultern tragen müssen, weil wir die sind, die mit den Auswirkungen zurechtkommen müssen“, sagt die 18-jährige Teresa, Schülerin einer Hamburger Stadtteilschule. „Aber letztendlich sind wir es, die es am allerschwersten umsetzen können und die wenigsten Möglichkeiten haben, sich perfekt klimaneutral zu verhalten.“

Teresa hat einige ihrer Schulkollegen zum Interview mitgebracht, um über das Mobilitätsverhalten der Gen Z, also der 14- bis 29-Jährigen zu erzählen. „Hamburg könnte besser vernetzt sein“, findet Chiara. „Wenn ich etwa gucke, wie ich in die Schule komme – mit den Öffis 45 Minuten, mit dem Auto zehn.“

Teresa, die ihr mobiles Datenvolumen immer schon am Zehnten des Monats verbraucht hat, bemängelt, dass es an viel zu wenigen Haltestellen WLAN gibt und in der U-Bahn gar keines: „In den U-Bahnen WLAN zu haben, das wäre schon stark, da würde ich auch mehr fahren. Nachts weiche ich auf MOIA-Ridesharing aus – das ist schneller und vor allem sicherer.“

Hanna wollte von einem Festival in Hannover nach Hause fahren: „Mit dem ICE 60 Euro – wenn du nicht Wochen vorher gebucht hast, das ist für mich utopisch. Dann guckt man doch, ob jemand ein Auto hat.“

Grafik Fortbewegungsmittel

Das Fahrrad ist zu wenig flexibel

„Wenn ich an ein Auto denke, dann wird es in ein paar Jahren ein Gebrauchter um 3.000 Euro sein – ein E-Auto wird nicht drin sein“, sagt Anton – und lobt das 49-Euro-Ticket der Deutschen Bahn, das in Hamburg für Schüler kostenlos ist, als „großen Faktor“: „Jeder von uns kennt das Ticket. Am Ende geht es in unserer Generation immer ums Geld bei der Mobilität.“

Mit kostengünstigen Möglichkeiten der Verkehrswende sind die Schüler besser vertraut als jede Generation davor. Fahrten werden per App geplant, der schnelle Wechsel von Verkehrsträgern ist Alltag. ÖPNV, Ridesharing, E-Roller – es wird genutzt, was gerade passt. „Natürlich wollen wir fürs Klima was tun und auch verzichten. Ohne Fleisch kommen zum Beispiel die meisten von uns gut aus – und ich trage nur Secondhand. Aber bei der Mobilität wird es uns nicht leicht gemacht.“

Das klimafreundliche Fahrrad allerdings hat – zumindest bei Teresa, Hanna, Chiara und Anton – an Ansehen verloren: „Seit es die E-Roller gibt“, formuliert es Chiara, „ist das Rad nicht mehr so mein Ding. Wird auch so viel gestohlen, vor allem an U-Bahn-Stationen. Wirklich flexibel ist man nur mit dem E-Roller, den kann man einfach stehen lassen. Zu deinem Fahrrad musst du immer zurückkommen – und das passt nicht so zu uns, weil wir nie an einem Ort bleiben, sondern immer weiterziehen.“

Die Einstellung dieser Generation zur Mobilität – angepasst an ihre Verhältnisse, vor allem an die finanziellen – erscheint pragmatisch. Das entspricht auch der Einschätzung von Experten und wird durch internationale Daten belegt.

Flexibilität und Unabhängigkeit sind die wichtigsten Wünsche

„Für die Generation Z sind Flexibilität und Unabhängigkeit unverzichtbar. Sie wünscht sich vor allem eine gute Netzabdeckung und die Vernetzung verschiedener Verkehrsträger. Kostenlose Ladestationen für E-Autos sind ebenfalls gefragt“, sagt Tobias Kuhnimhof von der RWTH Aachen. „Im ländlichen Raum und für Pendler sieht die Gen Z den größten Verbesserungsbedarf – und unterscheidet sich darin nicht von den Älteren.“

Da sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln digital navigieren und Sharing-Angebote wie E-Scooter, Fahrdienste und Ridesharing nutzen, ist der Zusammenhang zwischen Mobilität und Internet für diese Generation grundlegend. Auf die Frage, was sie sich für ihre Mobilität wünschen, nennen 47 Prozent der 16- bis 19-Jährigen eine flächendeckende Verfügbarkeit des Internets, 30 Prozent „eine App für alles“, gefolgt von „selbstfahrenden Autos“, die sich 23 Prozent wünschen.

Werden Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit von Produkten gegeneinander abgewogen, gewichtet die Gen Z weltweit die Nachhaltigkeit etwas höher als die älteren Generationen. Der Anteil der Verbraucher, denen die Erschwinglichkeit eines Produkts wichtiger ist als die Nachhaltigkeit des Produkts liegt bei der Gen Z mit 51 Prozent, während es bei den Millennials 57 Prozent und bei der Gen X 55 Prozent sind.

Grafik Zukunft Mobilität

Verbrennerauto dreht noch eine Generationen-Runde

Frage an die Schülerrunde: Und wie wollt ihr euch in fünf Jahren fortbewegen? „Mit dem Auto, hoffentlich“, kommt es fast wie aus einem Mund. Anton macht gerade den Führerschein, Chiara hat ihn schon und fährt auch mal mit dem eigenen Auto zur Schule: „Umweltfreundlicher fahren, das haben wir in der Fahrschule gelernt. Obwohl ich glaube, dass das nach der Prüfung alle gleich wieder vergessen.“

Das Auto, einen Verbrenner, hat sie von ihrem Vater geschenkt bekommen: „Das war machbar, ein E-Auto nicht. Es gibt aber auch den Gedanken, wenn ich jetzt keinen Verbrenner fahre, macht das überhaupt noch einen Unterschied?“

Teresa vermutet, E-Autos hätten es auch dann noch schwerer, wenn sie preisgünstiger wären: „Für viele haben doch Benzinmotoren was Geiles an sich, die Sounds und so. Die würden mit so einem E-Auto dann nicht so happy sein, auch wenn es fresh rüberkommt.“ Auch in dieser Generation scheinen Mobilitätsentscheidungen nicht immer streng rational zu sein.

Das „Verbrennerverbot“ in der EU ab 2035 halten aber alle in der Interviewgruppe für „eine sinnvolle Sache“ – und wünschen sich von der Politik überhaupt mehr Regeln. Und Verbote: „Ich fände es besser, wenn solche Fragen gesetzlich geregelt werden und es auch klare Verbote gibt“, sagt Teresa, „dass es nicht mehr so geht wie jetzt: Oh, jetzt muss ich die Person sein, die sich einschränkt oder nicht.“

Grafik Umwelt

Für wen der Bus nur alle zwei Stunden kommt, der setzt sich ins Auto

Der Besitz eines Autos sei ein wichtiges Lebensziel, geben in einer Untersuchung des internationalen Automobil-Dachverbands FIA 56 Prozent der befragten Deutschen zwischen 16 und 25 Jahren an. Carsharing dagegen ist nur für jeden Vierten eine Option.

Die Daten geben es also nicht unbedingt her, bei den jungen Menschen der Gen Z eine „Automüdigkeit“ festzustellen. „Zur Pragmatik der Generation gehört auch, dass sie sich genauso wie ihre Vorgänger-Generationen oft fürs Auto entscheidet“, sagt Mobilitätsforscher Kuhnimhof. Wenn junge Menschen davon abhängig sind, dass alle zwei Stunden ein Bus kommt, sind sie auch nicht bereit, auf ein Auto zu verzichten. Weil das bedeuten würde, dass sie bestimmte Dinge nicht tun können.

„Es gab einen kurzen Einbruch in den Jahren 2008 und 2009, das war aber eher sozioökonomischen Faktoren geschuldet als einer Einstellungsänderung.“ Seit Jahren steigt in Deutschland der Autofahreranteil wieder an: 2022 lag er bei einem neuen Hoch von 188 Autos pro 1.000 Menschen bei den 18- bis 24-Jährigen.

Auch die Zahl der ausgegebenen Führerscheine ist in der Altersgruppe von 18 bis 24 Jahren in den vergangenen Jahren nach wie vor hoch geblieben. „Bei der Führerscheinquote hat sich bis jetzt nichts Nennenswertes verändert“, sagt Kuhnimhof. „Wenn sich Einstellungen ändern, ändert sich nicht immer auch das Verhalten.“ Laut einer Studie des TÜV-Verbands ist für 76 Prozent der 16- bis 29-jährigen Führerscheinbesitzer die Fahrerlaubnis für das tägliche Leben wichtig oder sehr wichtig, während es in der Gesamtbevölkerung 88 Prozent sind.

Weltweit richtet sich Mobilitätsverhalten an gleichen Kriterien aus

Auch weltweit ändert sich das Mobilitätsverhalten der Jüngeren, eine höhere Sensibilität gegenüber der Umwelt lässt sich so gut wie überall nachweisen, verbunden mit einer großen Offenheit gegenüber alternativen Verkehrsträgern. Das reale Verhalten stimmt aber wie in allen Altersgruppen nicht immer mit den guten Vorsätzen überein.

Die Kriterien, nach denen der Einzelne sein Verhalten ausrichtet, scheinen international dieselben zu sein: finanzielle Aspekte, Rücksicht auf die Umwelt, die Attraktivität von Alternativen, in dieser Reihenfolge. In ihrem Klima- und Mobilitätsverhalten zeigt sich, dass junge Menschen heute finanziell stärker unter Druck sind als die Generationen davor. In einer weltweiten Studie von YouGov Global Profiles stimmte der Aussage „wir sollten alle weniger Auto fahren, um die Umwelt zu retten“ zwar mit 48 Prozent fast die Hälfte der befragten 18- bis 24-Jährigen zu, damit hatte diese Altersgruppe aber den niedrigsten Wert unter den Befragten. Diese sahen ansteigend mit dem Alter zunehmend eine Notwendigkeit für einen umfassenden Verzicht auf das Auto, mit einem Höchstwert von 59 Prozent bei der Generation ab 55.

Grafik Weniger Autofahren