Der AAMPACT-Chef spricht offen über die großen Herausforderungen auf dem freien Ersatzteil- und Reparaturmarkt, ist davon überzeugt, dass sich eine faire Zukunft nur auf internationaler Ebene erkämpfen lässt – und weiß, warum die Arbeit in den Werkstätten nicht ausgehen wird.
Wie beurteilen Sie die von Chinas Autoindustrie angekündigte Europa-Offensive? Wann wird sie auf dem freien Aftermarket ankommen?
Da haben erstmal die Chinesen was zu tun. Sie müssen sich Folgendes fragen: Was sind die typischen Verschleißteile – und wie bekommen wir die nach Europa? Wie stellen wir die Verfügbarkeit sicher? Oder soll mehr in Europa produziert werden? Wie werden die Mitarbeitenden in den Werkstätten geschult? Die chinesischen Marken werden versuchen, in Europa Vertragswerkstätten aufzubauen. Wie sie das mit dem Vertrieb gerade auch tun. Online hat das nicht so gut geklappt. Jetzt werden Handelspartner gesucht.
AAMPACT-Chef Thomas Fischer
Es sind nicht nur andere Hersteller, sondern auch andere Autos. Software ist wichtig, Entertainment-Anlagen, Autos werden zum „zweiten Wohnzimmer“. „Software Designed Vehicles“ kommen.
Die Entwicklungen betreffen nicht nur Autos aus China. Generell, glaube ich, hat der freie Markt, für den unser Verband steht, die gleichen Voraussetzungen wie Vertragswerkstätten, an den Entwicklungen teilzunehmen. Die Mechaniker sind nicht schlauer oder dümmer, je nachdem, wo sie arbeiten. Das Problem dabei ist, die Fahrzeughersteller gehen sehr selektiv mit ihren Informationen um, obwohl es klare gesetzliche Regelungen gibt, dass alle Marktteilnehmer von den Autoherstellern gleich behandelt werden müssen. Das ist ein Kampf, den wir seit Langem führen.
Was genau wollen Sie erreichen?
Wir wollen erreichen, dass wir die gleichen Möglichkeiten wie die Vertragswerkstätten haben, an Reparatur-, Wartungs- und Teileinformationen von den Fahrzeugherstellern zu kommen, um im Markt wettbewerbsfähig zu sein. Das hat ja auch einen Nutzen für die Autofahrer. Wenn man sieht, wie sich die Stundenlöhne und Ersatzteilpreise der Vertragswerkstätten entwickelt haben, wird deutlich, dass der freie Markt das Gegengewicht ist, um dem Verbraucher bezahlbare Mobilität zu ermöglichen.
Sie haben in letzter Zeit einige Erfolge erzielt.
Der Europäische Gerichtshof hat 2024 drei Urteile gefällt: Einmal ging es um freien Zugang zum Fahrzeug für die Diagnose, dann um die Zurverfügungstellung der Teileinformationen über die Fahrgestellnummer – denn nur darüber ist genau zu erkennen, welche Komponenten drin sind und welche Teile es braucht, um die Reparatur durchzuführen. Im dritten Fall waren viel zu hohe Diagnose-Gebühren angesetzt worden, weil Fahrzeughersteller die Gebühren für Daten unverhältnismäßig erhöht haben.
Wie eng sind Werkstätten heute schon an die Hersteller gebunden?
Es ist heute schon häufig so: Der Monteur bekommt ein Ersatzteil erst funktionsfähig, nachdem er mit dem Server des Fahrzeugherstellers verbunden war. Erst dann, wenn das Teil autorisiert ist, kann es eingebaut werden. Davor muss sich noch die Werkstatt selbst identifizieren, je nach Sicherheitslevel im Fahrzeug. Zusätzlich muss sich der Monteur persönlich identifizieren. Das ist in der Praxis kaum machbar.
Corona, Halbleiter-Krise, weltwirtschaftliche Verwerfungen – der Markt kommt nicht mehr zur Ruhe: Wie sehen Sie die Lage?
Die Fahrzeughersteller melden Gewinneinbrüche, doch wenn man die Zahlen ansieht, sind die Gewinne von 2024 mit denen von 2018 vergleichbar. Die Halbleiter-Krise hat dazu geführt, dass Fahrzeughersteller die vorhandenen Halbleiter im Premiumsegment verbaut haben, was im Endeffekt den Durchschnittspreis verkaufter Autos deutlich erhöht hat. Und man konnte in der Zeit Autos auch teilweise ohne Rabatt verkaufen. Das ist wieder vorbei und jetzt gehen die Gewinne zurück, aber es bleiben immer noch Gewinne. Wer derzeit blutet, das sind die Zulieferer.
Zulieferer müssen in neue Technologien investieren, für die der Markt in dem Ausmaß noch gar nicht da ist …
… und sie verspüren vonseiten der Hersteller einen hohen Preisdruck. Das ist die Schere. Da sind die AAMPACT-Mitgliedsfirmen ausgesprochen gebeutelt. Aber insgesamt ist der Trend für den reinen Ersatzteilmarkt positiv.
Werden Autos nicht auch immer länger gefahren?
Der Privatkunde weiß nicht: Elektro, Hybrid oder nochmal Verbrenner – und fährt sein Fahrzeug daher erstmal weiter. In Deutschland ist ein Auto heute im Durchschnitt elf Jahre alt. Das hatten wir noch nie. Damit ist auch der Reparaturbedarf so hoch wie nie und das spüren unsere Mitgliedsfirmen. Die Stimmung ist generell positiv. Hinzu kommt, Autos länger im Bestand zu halten, ist nachhaltiger, als neue Autos zu produzieren.
Wie verändert die E-Mobilität die Branche? Es heißt, Reparaturen werden bei E-Autos weniger, es werden ja auch viel weniger Teile verbaut …
Erstmal steigt die Bindung an die Hersteller und deren Vertragswerkstätten. Da die Batterie das teuerste Teil ist und die meisten Hersteller acht Jahre Garantie darauf geben, erwarten sie auch, dass man zu ihnen in die Werkstatt kommt – und die Kunden haben Sorge, sonst die Gewährleistung zu verlieren. Heute ist es so, nach vier bis sechs Jahren wechselt der Kunde zur freien Werkstatt. Das wird in Zukunft vermutlich länger dauern.
Wie sind die Erfahrungen mit E-Autos in den Werkstätten?
Bei elektrischen Fahrzeugen sind Software und meist auch die Batterie beim Hersteller erhältlich, damit haben wir noch nichts zu tun. Im Moment kommen vielleicht ein paar Hybride zum Reifenwechsel oder dann, wenn es um Unfälle oder Verschleißteile geht. Bei den Teslas gehen öfter mal die Lenkungsteile kaputt, weil sie wegen der Batterien so schwer sind. Das kann jede freie Werkstatt ersetzen, überhaupt kein Thema. Die Teile, die dann gebraucht werden, sind allerdings meist teurer als bei Verbrennern. Auch die Stundenlöhne der betreffenden Mechaniker sind höher als bei denen für Verbrennerfahrzeuge, weil die Werkstatt eine ganz andere Ausrüstung benötigt. Das heißt, es wird weniger repariert, aber die Reparaturen sind teurer.
Welche Bedeutung haben die Batterien bei E-Autos für den freien Aftermarket?
Die Reparatur von Batterien wird für uns in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Ob man die Batterie insgesamt austauscht, einzelne Zellen repariert oder ob sich Second-Life-Konzepte realisieren lassen, wo alte Batterien als Stromspeicher genutzt werden, wird sich in der Zukunft zeigen.
Als wichtiger Hebel für mehr Nachhaltigkeit auf dem Aftermarket gilt das Remanufacturing, die Aufbereitung gebrauchter Teile. Wie geht die Branche damit um?
Die Verfügbarkeit ist sehr gut. Es gibt viele Teilehersteller und Spezialisten, die industriell wiederaufbereiten. Am Ende ist das Teil genauso gut wie ein Neuteil und es gibt die gleichen Gewährleistungen und Garantien. Besonders attraktiv ist dies bei Anlassern, Lichtmaschinen oder Bremssätteln – also immer da, wo es Gussgehäuse gibt. Sie zu erhalten und nicht neu herzustellen, bringt die größte CO₂-Ersparnis. Die Frage ist dabei immer die nach der Wirtschaftlichkeit. Das Teil muss aus dem Markt geholt, bearbeitet und wieder in den Markt gebracht werden. Das kostet. Und es gibt Anbieter aus anderen Teilen der Welt, die es günstiger neu herstellen. Das alte Teil muss an den Lieferanten zurückgehen, damit er es wiederaufbereiten kann. Dieses Zwei-Wege-Geschäft ist manchen Händlern zu aufwendig, sie möchten mit dem alten Teil nichts zu tun haben und benutzen daher lieber neue Teile.
Sind die Kunden skeptisch? Nehmen sie das Remanufacturing an?
Dieser Markt wächst in den nächsten Jahren, das ist klar. Aber es gibt keine gezielte Kundennachfrage nach wiederaufbereiteten Teilen, es gibt bei Ersatzteilen keine bestimmte Nachfrage und auch kein Markenbewusstsein. Der Kunde kann sich darauf verlassen, dass ein wiederaufbereitetes Teil die gleiche Qualität wie ein neues hat – mit allen Garantien. Er hat dabei eigentlich nur Vorteile.
Seit Langem hat die Branche Probleme, Nachwuchs zu gewinnen – und hält mit Kampagnen dagegen, vom „Schrauberblog“ bis zu „Talents4AA“. Sind bereits Erfolge spürbar?
Direkt messbar ist das nicht. Was wir aber sagen können, Mechatroniker ist bei jungen Männern der gefragteste Lehrberuf. Trotzdem bekommen wir unsere Lehrstellen nicht voll. Das Problem hat aber das Handwerk insgesamt, das ist nicht spezifisch auf uns bezogen. Fast 40 Prozent der Schulabgänger haben heute Abitur und versuchen erstmal, mit einem Studium weiterzukommen.
“Mechatroniker ist bei jungen Männern der gefragteste Lehrberuf. Trotzdem bekommen wir unsere Lehrstellen nicht voll.”
Was macht ein erfolgreiches Unternehmen im freien Ersatzteil- und Reparaturmarkt aus?
Man braucht ein komplettes Programm, um Werkstätten oder Händler zu bedienen. Sie wollen nicht für jedes Automodell bei einer anderen Quelle kaufen. Die Werkstatt braucht einen Versorger, der viel Service anbieten kann: Marketing, Verkaufsunterstützung, Montageanleitung, Schulung, alles aus einer Hand, das sind alles Leistungen, die heute zu einem Ersatzteil dazugehören. Die Werkstatt will sich auf einen starken Vorlieferanten verlassen können, der ihr dabei hilft, täglich entsprechend viele Autos fachgerecht zu reparieren, um im Markt zu bestehen. Das Gebot der Stunde für die Teilezulieferer ist, ihr Angebot auszubauen.