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EV Trends

Das Duell

24.10.2024

Wer hätte das gedacht? Bei der Elektrifizierung scheinen im Moment die Nutzfahrzeuge den Markt der Personenwagen zu überholen.

Lange Strecken, hohes Gewicht – bis vor Kurzem ging das mit E-Mobilität nicht so richtig zusammen. Diesel durch Strom zu ersetzen, schien bei Trucks und Lkw noch in ferner Zukunft zu liegen. Doch es ist anders gekommen. Wie es im Moment aussieht, kann die Elektrifizierung des Lastverkehrs sogar schneller vorankommen als die der Pkw.

Das wäre eine gute Nachricht für das Klima, steht doch das Fernverkehrssegment für zwei Drittel der CO2 Emissionen im Lkw-Verkehr. Gleichzeitig wäre es ein großer Schritt für die Industrie – im Hinblick auf die 2030 in der EU in Kraft tretenden verschärften Abgasregeln für schwere Nutzfahrzeuge, die schon für das kommende Jahr vorsehen, dass Trucks über 16 Tonnen 15 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 2019.

„Batterieelektrische Lkw verursachen im Vergleich zu Dieselfahrzeugen über die gesamte Lebensdauer mindestens 63% weniger Treibhausgas-Emissionen. Wird ausschließlich erneuerbarer Strom verwendet, kann eine Reduktion der Lebenszyklusemissionen von bis zu 92% im Vergleich zu Dieselfahrzeugen erreicht werden.“

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Mächtig groß inszeniert kommt Daimler Truck in diesen Wochen mit dem eActros 600 auf den Markt, einem schweren Fernverkehrs-Lkw in futuristischem Design – und mit einer bisher unerreichten Energieeffizienz und Klimabilanz.

„Unser eActros 600 ist eine starke Alternative zu einem Diesel-Lkw, dank seiner Reichweite von 500 Kilometern mit einer Batterieaufladung. Mit seiner sehr hohen Energieeffizienz wird der eActros 600 für Flottenbetreiber zudem profitabel sein“, bringt es Karin Rådström, die neue Vorstandsvorsitzende der Daimler Truck Holding AG, auf den Punkt.

Die erstaunliche Performance des eActros 600 wird möglich mit einer hohen Batteriekapazität von über 600 Kilowattstunden (drei Batteriepakete mit jeweils 207 kWh) sowie mit einer neu entwickelten, besonders effizienten elektrischen Antriebsachse. Die Reichweite von 500 Kilometern ohne Zwischenladen kann auf 1.000 Kilometer am Tag erhöht werden – mit Zwischenladen während der vorgeschriebenen Fahrerpausen. Und das sogar ohne Megawatt-Ladesystem, mit dem Fahrzeugbatterien mit bis zu 1.000 Kilowatt Leistung in kürzester Zeit geladen werden können. Das gilt für realistische Bedingungen mit 40 Tonnen Gesamtzuggewicht.

Um die Praxistauglichkeit nachzuweisen, schickte Daimler Truck im Sommer zwei voll beladene Prototypen des eActros 600 auf eine siebenwöchige, über 15.000 Kilometer lange Testfahrt durch 22 europäische Länder, unter Beobachtung von 30 mitreisenden Journalisten. Die Tour verlief ausschließlich entlang öffentlicher Ladestationen und hatte unterschiedliche Voraussetzungen zu bewältigen, wie die 360 Kilometer lange Strecke bergab von Madrid nach Bilbao mit sehr guten Straßen- und Wetterbedingungen oder die 240 Kilometer lange Fahrt von Alta ans Nordkap, bei 7 Grad und teilweise auf Schotterpisten.

Vor allem bei der Energieeffizienz wurden die Erwartungen noch übertroffen. Der durchschnittliche Verbrauch auf der Tour lag bei 103 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Umgerechnet auf den Energiegehalt von Diesel entspricht dies einem Dieselverbrauch von rund 10 Liter pro 100 Kilometer – unerreichbar für einen konventionell angetriebenen Lkw. Zusätzlich werden beim eActros 600 im Schnitt bereits rund 25 Prozent des Antriebsverbrauchs durch Rekuperation – also Zurückgewinnung der Bremsenergie – gedeckt.

Davon, dass die Elektrifizierung des Lastverkehrs bereits „an einem Kipppunkt steht“, geht auch eine aktuelle Studie aus: Zumindest auf deutschen Straßen könnten Elektro-Lastwagen schon in wenigen Jahren Standard werden und den Diesel-Laster bis 2040 fast komplett verdrängen, schreiben die Experten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC Deutschland. Bereits 2030 würden mehr als jeder fünfte Lkw und Bus weltweit batterieelektrisch fahren, heißt es in der Analyse. 2040 könnten es dann bereits 90 Prozent sein. 2030 rechnen die Experten mit einem weltweiten Absatz von 600.000 E-Lastern, zehn Jahre später dann mit 2,7 Millionen pro Jahr. Dennoch schwebt über der schönen neuen Elektrowelt ein Fragezeichen, und je schöner sie wird, desto größer wird das Fragezeichen: Kommt die Ladeinfrastruktur mit?

„Nun ist es unerlässlich, dass Politik, Energiebranche und Industrie gemeinsam den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur voranbringen.“

Karin Rådström

„E-Lkw fahren ihren TCO-Vorsprung vor allem durch geringere Energiekosten ein“, sagt Dr. Philipp Rose, Director bei PwC Deutschland, „da Strom in der Regel billiger ist als Diesel.“ TCO, „Total Cost of Ownership“, bezeichnet die Gesamtkosten eines Fahrzeugs vom Kauf über den Betrieb bis zum Lebensende. Dieser Vorteil bei den Betriebskosten wirke allerdings nur dann, wenn es ausreichend schnelle und günstige Ladepunkte gibt. Dafür sind laut Studie erhebliche Investitionen notwendig – sowohl von öffentlicher Hand, vor allem aber von der Logistikbranche selbst.

Bis 2035 läge laut PwC-Studie der öffentliche Investitionsbedarf in Europa demnach bei 6,1 Milliarden Euro, um 720 Ladeparks zu errichten und damit eine flächendeckende Ladeinfrastruktur zu gewährleisten. Hinzu kämen 28,6 Milliarden Euro, die der private Sektor für etwa 28.500 Depot-Ladepunkte aufbringen müsste.

Beim Thema Laden lag der Fokus bislang stark auf öffentlichen Schnellladeparks, die zwar für die breite Abdeckung der Fläche notwendig sind, allerdings in der Auslastung großen Schwankungen unterliegen. „Die Logistikbranche sollte daher in Zukunft zusätzlich selbst die Initiative ergreifen und verstärkt in Depot-Ladepunkte investieren. Dies ermöglicht eine deutlich verbesserte Planungssicherheit bezüglich der Infrastrukturauslastung und hilft somit, die Ladekosten im Griff zu behalten“, empfiehlt PwC-Mann Rose.

„Logistiker, die ihre Betriebsmodelle frühzeitig auf Elektromobilität umstellen, können von enormen Wettbewerbsvorteilen profitieren.“

Dr. Philipp Rose

Um ihren Kunden überhaupt ein umfassend wirtschaftliches Angebot machen zu können, nehmen Industrie und private Unternehmen den Ausbau der Ladeinfrastruktur immer stärker selbst in die Hand. Daimler fasst unter der neuen Marke TruckCharge seine Angebote rund um E-Infrastruktur und das Laden von Elektro-Lkw zusammen, dazu gehören Beratung und Infrastruktur sowie der Betrieb des elektrifizierten Depots für Spediteure, aber auch für Industrieunternehmen. Teil des Angebots ist das Fleetboard Charge Management, das einen ganzheitlichen Überblick über alle Interaktionen zwischen den batterieelektrisch betriebenen Lkw im Fuhrpark und den firmeneigenen Ladestationen ermöglicht.

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Markenübergreifende Lösungen bietet Virta an, die führende Plattform für das Laden von E-Fahrzeugen in Europa. „Mit Virta können Unternehmen auf eine zuverlässige Ladeinfrastruktur zugreifen, die flexible und skalierbare Lösungen für den wachsenden Bedarf an E-Mobilität bietet“, sagt Nicolai Woyczechowski, VP Sales DACH & CEE bei Virta. „Darüber hinaus unterstützen wir beim Lastmanagement und bei der Integration von erneuerbaren Energien, um eine nachhaltigere Nutzung von Elektrofahrzeugen zu fördern.“

„In Europa stellen Lkw weniger als zwei Prozent des gesamten Fahrzeugbestands, sind jedoch für nahezu ein Viertel der Emissionen im Straßenverkehr verantwortlich. Hier brauchen wir Lösungen.“

Nicolai Woyczechowski

Die Virta-Ladelösungen für elektrische Nutzfahrzeuge umfassen Hardware und Software wie auch intelligentes Energiemanagement. Das System ermöglicht es Flottenbetreibern, Ladevorgänge effizient zu planen, zu überwachen und zu optimieren, wodurch Betriebskosten gesenkt werden können. Funktionen, wie etwa eine Reservierungsfunktion für öffentliche Ladepunkte, ermöglichen Logistik- und Transportunternehmen, eine effiziente Routenführung zu planen.