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Folge #19

Warum die E-Mobilität im Kopf beginnt

11.12.2025

Warum Emotionen eine größere Rolle beim Wandel zur E-Mobilität spielen als Fakten – darüber spricht Experte Sebastian Henßler in der neuen Podcastfolge mit Jürgen Boss, Geschäftsführer der Projekt-Dialog GmbH. Hören Sie, welche Einblicke Boss in die Verhaltensänderung von Menschen gibt und was aus seiner Sicht nötig ist, damit sich das E-Auto durchsetzt.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Herausgeber von Elektroauto-news.net

Bringt in fünf Minuten auf den Punkt, was man diese Woche rund um E-Autos & Co. wissen muss.

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Jürgen Boss, Geschäftsführer von Projekt-Dialog blickt auf über 30 Jahre Erfahrung in der Automobilindustrie zurück. Als Maschinenbauingenieur arbeitete er lange eng mit der Welt der Verbrennungsmotoren zusammen – bis er 2018 selbst den Schritt zum Elektroauto wagte. „Das war eine rein emotionale Entscheidung,“ erzählt er. „Ich habe nichts durchgerechnet oder aus Umweltschutzgründen entschieden. Es hat sich einfach richtig angefühlt.“ Für ihn war der Umstieg sinnbildlich für viele Veränderungsprozesse: Sie beginnen nicht mit rationalen Argumenten, sondern mit einem inneren Impuls.

Gerade darin liegt laut Boss die zentrale Herausforderung der E-Mobilität. Zwischen den sogenannten „Lagern“ der Elektroauto-Befürworter und der Skeptiker herrsche oft eine aufgeheizte Stimmung. Die Diskussionen seien zwar scheinbar sachlich, tatsächlich aber emotional gesteuert. „Unser Gehirn ist darauf programmiert, Risiken zu vermeiden. Neues bedeutet Gefahr – und dann blockieren wir,“ erklärt Boss. Die Amygdala, ein Teil des limbischen Systems, schalte in solchen Momenten den rationalen Teil des Gehirns ab. So würden viele Debatten über Reichweite, Ladeinfrastruktur oder Kosten gar nicht mehr auf sachlicher Ebene geführt, sondern seien Ausdruck einer tieferliegenden Haltung: Veränderung fühlt sich für viele schlicht bedrohlich an.

Diese Mechanismen begegnen Boss und seinem Team auch in einem ganz anderen Feld: der Einführung von Künstlicher Intelligenz (KI) in Unternehmen. „Veränderung gleich Bedrohung – das Muster ist exakt dasselbe wie beim Umstieg auf E-Mobilität,“ sagt er. Viele Mitarbeitende reagierten mit Skepsis oder Angst, weil sie ihre gewohnten Strukturen gefährdet sehen. Die Aufgabe seiner Beratung sei es deshalb, Neugier zu fördern und die Vorteile von Veränderung erlebbar zu machen. Denn, so Boss: „Menschen verändern sich nur, wenn sie einen Nutzen für sich selbst erkennen. Appelle bringen nichts.“

Er betont, wie wichtig dabei die Rolle der Führungskräfte ist. Sie müssten Mut zeigen, Fehler zuzulassen und eine Kultur zu schaffen, die kreatives Denken und Ausprobieren unterstützt. Nur so könne eine neue Haltung entstehen – die Grundvoraussetzung, um Wandel zu gestalten. „Man muss es wollen. Offen sein. Einfach mal ausprobieren. Erst fahren, dann urteilen,“ fasst er zusammen und zieht die Parallele zur Elektromobilität: Wer nie ein E-Auto getestet hat, könne sich kein fundiertes Urteil bilden.

Auch das Thema Zukunftsängste kommt zur Sprache – insbesondere in Bezug auf Arbeitsplätze. Boss warnt davor, mit Angst zu argumentieren, weil sie nur Widerstand verstärkt. Stattdessen verweist er auf Beispiele aus der Vergangenheit: „Kodak und Nokia haben lange geleugnet, dass Digitalisierung wichtig wird – und am Ende war es zu spät.“ Ähnlich werde es Unternehmen gehen, die heute noch am Verbrenner festhalten. Er vergleicht den Wandel mit einer evolutionären Anpassung: „Wer sich nicht anpasst, wird es nicht überleben. Es führt kein Weg an der E-Mobilität vorbei.“ Schon jetzt gebe es Beispiele aus der Industrie, wo sich Unternehmen neu aufstellen – etwa Gießereien, die ihre Kompetenzen in die Luftfahrt oder andere Industrien übertragen haben.

Am Ende des Gesprächs wird klar: Veränderung braucht mehr als politische Vorgaben oder wirtschaftliche Anreize. Sie braucht Menschen, die bereit sind, alte Gewohnheiten zu hinterfragen und Neues zuzulassen. Oder, wie Boss es formuliert: „Veränderung beginnt im Kopf – und sie gelingt nur, wenn wir sie wollen.“

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Hören Sie „Fünf Minuten mit E-Mobilitätsexperte Sebastian Henßler“ auch hier: