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Das Verbrenner-Aus ab 2035 steht mal wieder auf dem Prüfstand: Merz stellt damit den Beschluss infrage, der bereits seit geraumer Zeit als Wegmarke für die Klimapolitik in Europa gilt. Die Europäische Union hatte sich im Herbst 2022 politisch darauf verständigt, dass ab 2035 nur noch Pkw neu zugelassen werden dürfen, die am Auspuff keine CO₂-Emissionen verursachen. Im Februar 2023 bestätigte das Europäische Parlament die Vereinbarung endgültig. Für die Automobilbranche bedeutet das in der Praxis ein Ende für neue Benzin- und Dieselmodelle. Batterieelektrische Autos sollen künftig den Standard bilden, während E-Fuels nur unter engen Bedingungen eine Ausnahme darstellen.
Merz begründet seinen Vorstoß damit, dass er es für falsch hält, wenn der Staat einseitig Technologien vorgibt oder verbietet. Im Gespräch sind daher Kompromissmodelle wie eine Zulassung von Hybriden, Reichweitenverlängerern oder eine flexiblere Anrechnung von CO₂-Einsparungen, etwa durch den Einsatz von grünem Stahl. Branchenvertreter haben ähnliche Forderungen formuliert. Klar ist aber auch: Eine solche Debatte kommt in einer Phase, in der die deutsche Autoindustrie unter erheblichem Druck steht. Die Nachfrage nach Elektroautos wächst langsamer als erwartet, während chinesische Hersteller mit günstigen Modellen Marktanteile gewinnen. Hinzu kommen Zölle in den USA und schwächelnde Absätze in Europa. Hersteller wie BMW, Mercedes oder Volkswagen kämpfen mit rückläufigen Verkaufszahlen, große Zulieferer wie Bosch, Continental oder ZF kündigen massive Stellenstreichungen an.
Kritik am Vorstoß des Kanzlers kommt von SPD und Grünen. Sie warnen, dass eine Aufweichung des Verbrenner-Aus die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gefährdet. Unternehmen bräuchten Planungssicherheit, um Investitionen in Elektromobilität und Ladeinfrastruktur verlässlich tätigen zu können. SPD-Politiker Sebastian Roloff sprach von einem Anker in der Vergangenheit, den man sich nicht leisten könne. Grünen-Politiker Cem Özdemir betonte, dass der Weltmarkt nicht auf Deutschland warte. Wer international mithalten wolle, müsse ehrgeizig bleiben und dürfe nicht auf halbem Weg stehen bleiben.
Für Deutschland ist die Frage besonders brisant. Die Automobilindustrie ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes, hunderttausende Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt an ihr. Ein Rückschritt beim Umstieg auf Elektromobilität würde nicht nur die Klimaziele gefährden, sondern auch das Vertrauen von Investoren erschüttern. Wer heute Batteriefabriken, Ladeinfrastruktur oder Forschungszentren aufbauen will, erwartet klare Signale aus der Politik. Unsicherheit darüber, ob der Pfad Richtung emissionsfreie Mobilität Bestand hat, kann Investitionen ausbremsen.
Ob es am Ende zu einer Rücknahme oder nur zu einer Anpassung des Stichtags kommt, ist offen. Klar ist jedoch: Ein Zögern in der Antriebswende würde die Lernkurven bei Technologie und Kosten verlangsamen und den Standort Deutschland im globalen Wettbewerb schwächen. Andere Märkte treiben den Umstieg entschlossen voran. Für die deutsche Industrie bedeutet das, dass sie den Blick nach vorne richten muss – auf eine klimaneutrale Zukunft, die bereits begonnen hat.