Jetzt reinhören:
Sie möchten den Beitrag lieber lesen?:
Deutsche Hersteller wie BMW, Mercedes und Volkswagen haben sich im Rahmen der IAA Mobility 2025 klar dazu bekannt und teilweise schon konkrete Projekte gestartet. Das zeigt: Hier geht es nicht mehr um Forschung am Reißbrett, sondern um eine Technologie, die in den kommenden Jahren zum Alltag gehören kann.
Doch was bedeutet das überhaupt? Im Kern geht es darum, dass Elektroautos Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch wieder abgeben können. Ein E-Auto wird so zum rollenden Energiespeicher. Dieser Strom kann ins Hausnetz, in ein ganzes Gebäude oder auch ins öffentliche Netz zurückfließen. Damit lassen sich Schwankungen von Wind- und Solarenergie besser ausgleichen.
Die Grundidee ist einfach, die Wirkung groß. Tagsüber scheint die Sonne, nachts nicht. Wind weht nicht immer gleichmäßig. Batterien von E-Autos stehen jedoch die meiste Zeit ungenutzt herum – in Deutschland im Schnitt mehr als 20 Stunden pro Tag. Würde nur ein Teil dieser Kapazitäten zur Verfügung stehen, könnten sie Lastspitzen abfangen, Gas- und Kohlekraftwerke entlasten und damit die Energiewende beschleunigen.
Daten zeigen, wie viel Potenzial schon heute vorhanden ist. Hunderttausende Elektroautos in Deutschland sind technisch auf bidirektionales Laden vorbereitet. Würde ein Teil ihrer Akkus abends und nachts genutzt, ließe sich rechnerisch der Strombedarf von Millionen Haushalten decken. Energieversorger wie Eon vergleichen diese Kapazitäten bereits mit mehreren großen Gaskraftwerken, die in solchen Stunden eingespart werden könnten.
Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig.
- Vehicle-to-Home beschreibt die Rückspeisung ins eigene Haus.
- Vehicle-to-Building erweitert das Prinzip auf Büro- oder Firmengebäude.
- Vehicle-to-Grid geht einen Schritt weiter: Strom aus den Batterien fließt zurück ins öffentliche Netz.
Auch Varianten wie Vehicle-to-Load – also das direkte Versorgen von Geräten – oder Vehicle-to-Vehicle sind möglich.
Der übergeordnete Begriff lautet Vehicle-to-Everything.
Damit das funktioniert, braucht es allerdings mehr als nur die Technik im Auto. Wallboxen müssen geeignet sein, Strom in beide Richtungen zu steuern. Außerdem müssen Gleichstrom und Wechselstrom umgewandelt werden.
Noch wichtiger sind aber klare Regeln: Wie wird die abgegebene Energiemenge gemessen? Welche Steuern oder Abgaben fallen an? Und wie verhindern wir Missbrauch, etwa wenn jemand den Strom des Arbeitgebers zuhause verbraucht?
Andere Länder sind schon weiter. In Frankreich erhalten Besitzer*innen eines Renault 5 Geld dafür, wenn ihre Autos als Netzpuffer bereitstehen. In den Niederlanden und Großbritannien laufen ähnliche Projekte an. Deutschland dagegen hängt zurück. Noch fehlen rechtliche Grundlagen, eine flächendeckende Einführung digitaler Stromzähler und eine einheitliche Regulierung.
Auch die Wissenschaft arbeitet an Lösungen. Das Fraunhofer-Institut untersucht mit Partnern, wie sich ganze Flotten von Firmenfahrzeugen als sogenanntes Flottenkraftwerk nutzen lassen. Denn gerade Firmenautos stehen oft lange und können so Photovoltaikstrom speichern oder Netzschwankungen abfedern.
Das Fazit: Bidirektionales Laden ist kein Zukunftsversprechen, sondern ein realistischer Baustein der Energiewende. Deutsche OEMs positionieren sich, Energieversorger rechnen Szenarien durch, Forschungseinrichtungen entwickeln Konzepte.
Was noch fehlt, sind einheitliche Regeln und ein schnellerer Ausbau der Infrastruktur. Wenn diese Hürden fallen, könnte das Elektroauto weit mehr sein als ein Fortbewegungsmittel – nämlich eine wichtige Säule für ein stabiles und unabhängiges Energiesystem.