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Folge #6

Die EU-Kommission und die Zukunft der Elektromobilität

14.03.2025

Während die neue deutsche Bundesregierung bislang keine klaren Aussagen zur Zukunft der Elektromobilität getroffen hat, gibt es auf europäischer Ebene neue Entwicklungen. Anfang März 2025 stellte die EU-Kommission ihren Aktionsplan für die Automobilindustrie vor. Dieser legt fest, welche Klimaziele weiterhin Bestand haben und wo es Anpassungen gibt.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Herausgeber von Elektroauto-news.net

Bringt in fünf Minuten auf den Punkt, was man diese Woche rund um E-Autos & Co. wissen muss.

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Die Entscheidungen betreffen nicht nur Autohersteller, sondern haben auch Auswirkungen auf Verbraucher, den Ausbau der Ladeinfrastruktur und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilbranche.

Die Kernbotschaft der EU bleibt bestehen: Das geplante Aus für fossil betriebene Verbrenner im Jahr 2035 steht nicht zur Debatte. Das bekräftigte EU-Verkehrskommissar Apostolos Tsitsikostas bei der Vorstellung des Aktionsplans. Auch die Emissionsvorgaben für 2025 und 2030 sollen weiterhin gelten. Allerdings wird die für 2026 geplante Überprüfung dieser Regeln vorgezogen und bereits in der zweiten Jahreshälfte 2025 durchgeführt. Damit will die EU frühzeitig auf Entwicklungen in der Branche reagieren und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.

Eine bedeutende Änderung gibt es jedoch bei den CO₂-Flottengrenzwerten für Autohersteller. Bisher mussten sie die strengen Vorgaben punktgenau im Jahr 2025 einhalten. Nun sollen die Werte stattdessen über einen längeren Zeitraum – von 2025 bis 2027 – im Durchschnitt ausgeglichen werden können. Überschreitungen in einzelnen Jahren lassen sich durch bessere Bilanzen in späteren Jahren kompensieren. Damit sollen milliardenschwere Strafzahlungen für Hersteller vermieden werden, die es trotz jahrelanger Vorbereitungszeit nicht geschafft haben, ihre Flotten ausreichend auf Elektromobilität oder verbrauchsärmere Verbrenner umzustellen.

Dieser Schritt sorgt allerdings für Kritik. Umweltorganisationen wie Transport & Environment (T&E) warnen, dass diese Anpassung die Elektrifizierung verlangsamen könnte. Nach Berechnungen von T&E könnten zwischen 2025 und 2027 bis zu 880.000 weniger Elektroautos verkauft werden als ursprünglich geplant. Die schwächeren CO₂-Vorgaben verringerten den Druck auf Autohersteller, zeitnah erschwingliche Elektroautos zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.

Gleichzeitig enthält der Aktionsplan Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität. Ein zentraler Punkt ist ein geplantes EU-Gesetz für klimafreundlichere Unternehmensflotten. Dies könnte einen wichtigen Hebel darstellen, denn rund 62 Prozent aller Neuwagen in Europa werden von Unternehmen gekauft. Eine klare Regulierung zur Elektrifizierung dieser Flotten könnte bis 2030 eine garantierte Nachfrage nach über zwei Millionen Elektroautos sichern. Das wäre fast die Hälfte der Menge, die europäische Hersteller benötigen, um ihre strikteren CO₂-Ziele für 2030 einzuhalten.

Die Verlängerung der Frist für die CO₂-Ziele sorgt für gemischte Reaktionen. Der Verband der internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) begrüßt die Entscheidung, da der Elektroauto-Absatz hinter den ursprünglichen Prognosen zurückgeblieben ist und die Regelung den Herstellern finanzielle Sicherheit gibt. Die langfristigen Klimaziele würden dadurch nicht infrage gestellt, sondern lediglich flexibler gestaltet.

Kritik kommt hingegen von der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Diese warnt, dass die EU mit ihrer Entscheidung ihr bislang wirksamstes Instrument zur Förderung der Elektromobilität abschwächt. Besonders problematisch sei, dass Unternehmen, die frühzeitig in Elektromobilität investiert haben, nun benachteiligt werden könnten. Zudem wirft BDEW der EU einen Widerspruch vor: Einerseits werde der massive Ausbau der Ladeinfrastruktur gefordert, andererseits werde die Umstellung auf Elektroautos verlangsamt. Weniger E-Autos auf der Straße könnten dazu führen, dass privatwirtschaftliche Investitionen in Ladesäulen wirtschaftlich schwieriger darstellbar sind.

Auch aus wirtschaftlicher Perspektive gibt es Risiken. Ein stark regulierter Heimatmarkt kann für Unternehmen ein Sprungbrett sein, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn jedoch die Elektrifizierung in Europa langsamer voranschreitet als in anderen Weltregionen, könnte die europäische Autoindustrie ins Hintertreffen geraten. Ein besonders relevantes Beispiel ist China. Während europäische Hersteller noch mit den politischen Rahmenbedingungen ringen, bringen chinesische Unternehmen immer mehr erschwingliche Elektroautos auf den Markt. Wenn die EU ihre eigenen Emissionsziele weiter aufweicht, könnte das europäische Unternehmen nicht nur auf dem Heimatmarkt, sondern auch im globalen Wettbewerb schwächen.

Die EU-Kommission versucht mit ihrem Aktionsplan einen Balanceakt zwischen langfristigen Klimazielen und kurzfristigen wirtschaftlichen Herausforderungen. Während sie grundsätzlich an der Emissionsfreiheit des Verkehrssektors festhält, gewährt sie der Industrie mehr Zeit. Ob das den gewünschten Effekt hat oder eher den Hochlauf der Elektromobilität in Europa verlangsamt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Sicher ist jedoch, dass die Entscheidungen weitreichende Folgen für Hersteller, Verbraucher und den europäischen Automobilmarkt insgesamt haben werden. Die nächsten Monate werden zeigen, ob weitere Anpassungen notwendig werden.

Hören Sie „Fünf Minuten mit E-Mobilitätsexperte Sebastian Henßler“ auch hier: